Gesicht zeigen

Guntram Hasselkamp zu Burka und Burkini

Im Kampf gegen den Terrorismus ist den obersten Staatschützern – „die Sicherheitslage ist ernst“ – ein entscheidender Schlag gelungen: Das Burkaverbot. Schon am Hindukusch haben SPD und Grüne ja wegen der Burka Deutschland verteidigt. Da gebe es auch hierzulande ein „Gebot, Gesicht zu zeigen“ meint nun auch CDU-Innenminister de Maizière. Logisch, sonst wären die neu zu beschaffenden Gesichtserkennungskameras ja schließlich eine komplette Fehlinvestition. Ebenso wie der Bürger dem staatsschützenden Schlagstock den Kopf und dem demokratiesichernden Pfefferspray sein Gesicht ungeschützt und widerstandslos darzubieten hat, so gilt auch vor den demnächst wohl flächendeckend montierten Kameras der freiheitlich-gesslerische Imperativ: „Gesicht zeigen!“

Die NSA (National Security Agency) ist wie immer in diesen Dingen weiter: Die Benutzer von Smartphones zeigen bekanntlich außer ihrem Gesicht noch ganz andere Körperteile und offenbaren vom Kochrezept über Intimprobleme bis zum Rosenkrieg eine derartige Menge aufschlussreicher Details ihrer mentalen Verfasstheit, dass sich selbst ein Gebot „Bewusstsein zeigen“ längst erübrigt hätte. Allein, die Erfolge der Terrorjäger bleiben erkennbar rar. Das mag im Falle der Burka daran liegen, dass es hierzulande kaum jemanden gibt, der sie trägt. Was vermutlich ein besonders infamer Trick ist.

Frankreich ist da besser dran. Das Burkini-Verbot ist ein großer Renner. An der Côte d’Azur dürfte in diesem Sommer dem Terrorismus ein schwerer Schlag zugefügt worden sein, bis das Oberste Verwaltungsgericht, unverständlicherweise, den französischen Staatsschützern dieses scharfe Schwert nun aus der Hand geschlagen hat.

Da ist es doch gut, dass es die Burka gibt oder den FC Bayern oder Gina-Lisa Lohfink. Die Fokussierung auf die großen „Vier T“ des Tittytainment, wie es Zbigniew Brzezinski so weise formulierte, Titten, Tränen, Tiere, Tote, ist allerdings eine unzulässige Verengung. Es dürfen durchaus auch mal die ultimativen Ernährungsweisheiten von „Sterneköche“ genannten Fernsehbruzzelhelden oder die Erektionsprobleme von grenzdebilen Dschungelcamp-Bewohnern oder auch nur die grauen Socken in den Sandalen des mode-ahnungslosen Nachbarn sein. Oder eben die Burka. Hauptsache ein niedrigschwelliges Angebot zum Mitreden. Zuviel Sachverstand ist eher störend. Ein solides Bauchgefühl reicht völlig. Was ist schon dröge Politökonomie gegen frisch gegenderten, multikulti-mäßig und spirituell ich-gewordenen, supergünstigen Primark-Life?

Gustave Le Bon (Psychologie der Massen) hat hier Basisarbeit geleistet. Edward Bernays, der Neffe von Sigmund Freud, hat die Erkenntnisse seines Onkels mit denen Le Bons zu einem schlagkräftigen Herrschaftsinstrument verschmolzen. Der Vater der Public Relations und staatlich verdiente US-Spin-Doctor soll auch von Goebbels intensiv studiert worden sein.

„Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft. (…) In beinahe jeder Handlung unseres Lebens, ob in der Sphäre der Politik oder bei Geschäften, in unserem sozialen Verhalten und unserem ethischen Denken werden wir durch eine relativ geringe Zahl an Personen dominiert, (…) welche die mentalen Prozesse und Verhaltensmuster der Massen verstehen. Sie sind es, die die Fäden ziehen, welche das öffentliche Denken kontrollieren.“ (Bernays: Propaganda, 2005, S. 37 f.) Auch Linke dürfen Bernays ruhig ein bisschen ernster nehmen.

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"Gesicht zeigen", UZ vom 2. September 2016



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