Das Bündnis „Abtreibung legalisieren – jetzt!“ hat am Samstag zwei bundesweite Demonstrationen in Berlin und Karlsruhe organisiert. Die zentralen Forderungen: Die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 Strafgesetzbuch, ein Recht auf freiwillige Beratung statt der bisherigen Beratungspflicht sowie die vollständige Kostenübernahme für alle. Zwölf Wochen lang – solange gilt eine Abtreibung in Deutschland als straffrei – haben verschiedene Aktionen dazu in ganz Deutschland stattgefunden. Zu dem Bündnis haben sich mehr als 100 Verbände, Organisationen und Initiativen aus ganz Deutschland zusammengeschlossen.
„Die Kriminalisierung von Abtreibungen schränkt das Leben und die Gesundheit ungewollt Schwangerer massiv ein. Abtreibungen sind weder verpflichtender Teil der medizinischen Ausbildung; noch übernehmen Krankenkassen die Kosten. Dies führt zu einem Mangel an Ärzt*innen, die Abtreibungen durchführen, und zu einer hohen finanziellen Belastung für ungewollt Schwangere … Die Kontrolle, Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen, die schwanger werden können, ist elementarer Bestandteil patriarchaler Herrschaft. Seit über 150 Jahren sind Abtreibungen in Deutschland eine Straftat; während es in der DDR eine Liberalisierung gab, bestand Paragraph 218 in der BRD laufend fort. Das muss sich endlich ändern,“ heißt es auf der Homepage abtreibung-legalisieren.de.
Laut Veranstalterangaben demonstrierten über 3.000 Menschen, insbesondere junge Frauen, lautstark durch Karlsruhe, am Weihnachtsmarkt vorbei, mit Zwischenstopp vor dem Bundesverfassungsgericht. Dort redete die Ärztin Kristina Hänel, die sich seit vielen Jahren dafür einsetzt, dass Schwangerschaftsabbruch legalisiert wird. Durch Berlin demonstrierten laut Veranstalter rund 4.000 Menschen, mit einer Zwischenkundgebung am Bundestag. Aktuell läuft die Debatte auch im Parlament. Am 5. Dezember fand die Erste Lesung zu dem Gesetzentwurf statt, den SPD und Grüne eingebracht hatten. Nach dem aktuell diskutierten Reformvorschlag sollen Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herausgenommen werden. Abbrüche sollen bis zur zwölften Woche rechtmäßig werden. Die Pflicht zur Beratung soll allerdings bestehen bleiben, aber ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Auch sollen die Kosten für Abbrüche zukünftig von den Krankenkassen übernommen werden. Dies könnte eines der letzten Ampelprojekte werden, falls es der Gesetzesentwurf noch vor den Neuwahlen im Februar bis zur Dritten Lesung schafft. Das Demo-Bündnis macht darauf aufmerksam, „dass der aktuelle Entwurf weit hinter internationale Standards, wie den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation, zurückbleibt, wenn die Beratungspflicht wie auch die Zwölf-Wochen-Frist bestehen bleiben.“ Die Forderung des Bündnisses ist, dass an diesen Punkten nachjustiert werden muss.
„Es ist ein Menschenrecht, über den eigenen Körper zu entscheiden“, teilte die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Julia Durchrow, mit. „Dass dieses Recht immer noch missachtet wird, bringt weltweit viele Menschen auf die Straße – und das zu Recht.“
Eine repräsentative Umfrage des Bundesfamilienministeriums zeigt: Mehr als 75 Prozent der Menschen in Deutschland sind für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Auch eine Experten-Kommission der Bundesregierung und die Weltgesundheitsorganisation sprechen sich dafür aus.
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