Pogromartige Stimmung in Sachsen erinnert an die 1990er Jahre

Geschichte wiederholt sich doch

Von Markus Bernhardt

Kontinuierlich kommt es in den letzten Tagen und Wochen zu Angriffen vom Rassisten und Neonazis auf Asylbewerber und Flüchtlingsunterkünfte. Die zutage tretenden Zustände erinnern dabei zunehmend an die Situation im Nachgang an die Annexion der DDR: Der rechte Mob marschierte damals gegen Flüchtlinge auf und verübte Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und die etablierte Politik schaffte infolgedessen faktisch das Asylrecht ab und gab den braunen Umtrieben nach.

Ausschluss Sachsens aus der BRD?

Vor allem in Sachsen ist derlei auch aktuell zu beobachten. Begann das rechte Gehetze mit Großaufmärschen von „Pegida“ in Dresden und setzte sich mit Drohungen und Gewalt im nahegelegenen Freital fort, eskalierte am Wochenende die rechte Gewalt im sächsischen Heidenau. Dort griffen hunderte extreme Rechte die anwesende Polizei an und versuchten die Ankunft der Flüchtlinge auf dem ehemaligen Baumarktgelände mittels einer Straßenblockade zu verhindern.

Obwohl bekannt war, dass unter anderem die neofaschistische NPD zu Protesten mobilisierte und sich in „sozialen Netzwerken“ im Internet abzeichnete, dass eine große Anzahl von Rassisten nach Heidenau kommen würden, soll die Polizei anfangs nur mit zwei Hundertschaften zugegen gewesen sein. Trotz der massiven Gewalt, die von den Rechten ausging – über 30 Polizisten wurden verletzt – gingen die Beamten gegen Antifaschisten vor, die versuchten, Flüchtlinge vor Angriffen zu schützen. Im Nachgang an die Übergriffe gab sich die etablierte Politik gewohnt erstaunt ob der Nazigewalt. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) schwadronierte über „Pack“, welches verfolgt und bestraft werden solle, die Verantwortung der Bundesregierung an derlei Pogromen spielte hingegen fast nirgendwo eine Rolle.

„Nach mehreren Tagen Schweigen hat sich Kanzlerin Merkel heute Vormittag endlich zu den rassistischen Ausschreitungen in Heidenau geäußert. Sie halte es für abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchten, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten. Ich frage Frau Merkel: Wer schürt denn Ängste statt Fluchtursachen zu bekämpfen? Wer bereitet auf diese Weise den Hassbotschaften den Boden?“, schrieb die Linksparteipolitikerin Sahra Wagenknecht auf ihrem Facebookprofil. „Nein zu dumpfen Stammtischparolen aus der Union. Nein zu Nazis und Rassisten. Flüchtlinge schützen! Schluss mit Freihandelsdiktaten, Waffenexporten und Kriegspolitik, die für Armut, Destabilisierung und Bürgerkriege in viele Regionen dieser Welt verantwortlich sind und Millionen Menschen zwingen, um ihres nackten Überlebens willen ihre Heimat zu verlassen“, forderte sie dort außerdem.

In Die Zeit erschien unterdessen ein bemerkenswerter Kommentar unter der Überschrift „Dann geht doch! Hass, Extremismus und Abschottung in Sachsen: Ist es Zeit für einen Säxit?“. „Wenn aus Ankommen im gemeinsamen Deutschland Arroganz wird, aus Beleidigtsein Hass; wenn die vielen Anständigen die relativ wenigen Herzlosen – die das Bild dominieren – nicht einzuhegen vermögen: Dann sollen die Sachsen halt ihr eigenes Land aufmachen. Im Ernst“, forderte Stefan Schirmer darin. Übrigens frei jedweder Ironie – und vor allem auch völlig zu Recht.

Oskar Lafontaine übte unterdessen Kritik an den politisch Verantwortlichen. Seit Wochen diskutiere Deutschland über die Frage, wie man den Flüchtlingen helfen könne. Die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne stritten über Aufnahmequoten in Europa und über sichere Herkunftsländer. „Es gibt zwei Wege, die garantieren, dass nicht mehr so viele Menschen ihre Heimat verlassen. Afrika braucht Schutzzölle für die einheimische Landwirtschaft. Aber dazu ist es notwendig, dass CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sich auf europäischer Ebene von ihrer Freihandelsideologie verabschieden und dafür eintreten, die Subventionen für europäische Agrarexporte abzuschaffen“, forderte er.

Außerdem kämen viele Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten, Afghanistan, Syrien, Libyen und Irak. „CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne müssen ihre Befürwortung von Interventionskriegen und von Waffenexporten in Spannungsgebiete, wie zum Beispiel in die Türkei und nach Saudi-Arabien aufgeben, und sie müssen einsehen, dass Deutschland den USA nicht erlauben darf, auf deutschem Boden Flughäfen und militärische Einrichtungen zur Führung ihrer Öl- und Drohnenkriege vorzuhalten“, so der frühere Linksparteivorsitzende weiter.

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"Geschichte wiederholt sich doch", UZ vom 28. August 2015



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