Der Plan der USA für die Organisation Amerikanischer Staaten ging nicht auf

Gescheiterter Gipfel

Die USA sind mit dem Versuch, die 35 Länder des amerikanischen Kontinents auf ihre strategischen Interessen auszurichten, gescheitert. Obwohl Präsident Joseph Biden dazu in Begleitung der First Lady sowie von Vizepräsidentin Kamala Harris samt Ehegatten, Außenminister Antony Blinken und anderen hochrangigen US-Funktionären extra zu dem am Freitag vergangener Woche in Los Angeles beendeten Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gereist war, versagten die meisten Regierungen der Region, die Washington als eigenen Hinterhof betrachtet, ihm die Gefolgschaft. Zum Abschluss fehlte selbst auf dem „Familienfoto mit Biden“, dem einzig sichtbaren Ergebnis des Treffens, fast die Hälfte der Teilnehmer.

Bereits zu Beginn hatten mehrere ausländische Staatsoberhäupter dem Chef des Weißen Hauses einen Korb gegeben. Dabei hätte Biden den Gipfel, fünf Monate vor den für ihn wichtigen Zwischenwahlen im November, bei denen ein Drittel des Senats und zahlreiche Sitze im Repräsentantenhaus neu besetzt werden, gern als Erfolg verkauft. Doch aus Bolivien, Honduras, Mexiko, Guatemala, El Salvador und Uruguay waren statt der Präsidenten nur die Außenminister und einige Regierungsbeamte der unteren Ebene gekommen. Mehrere Karibikstaaten blieben dem Treffen ganz fern. Sie protestierten damit gegen den Ausschluss von Regierungen und Vertretern der Zivilgesellschaften aus Kuba, Nicaragua und Venezuela. „Wir sind der Meinung, dass niemand das Recht hat, einen anderen auszuschließen. Wir akzeptieren das Prinzip der Intervention nicht, um einseitig zu bestimmen, wer kommt und wer nicht kommt“, erklärte Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard. Stattdessen forderte er das Ende der „jahrzehntelangen unmenschlichen US-Blockade gegen Kuba“.

Nach offizieller US-Darstellung sollte das Treffen dazu dienen, „die Regierungen der Region bei der Bewältigung von drängenden Herausforderungen“ zu vereinen, zu denen Washington „die Migrationskrise, den Klimawandel, die wirtschaftliche Situation und die Pandemie“ zähle. Doch nichts davon wurde erreicht. Eine von den USA vorgelegte „gemeinsame Erklärung zur Migration“ wurde letztlich nur von 20 der 35 Länder des Kontinents gebilligt. Zwar hatte Biden für seinen Entwurf mit dem Versprechen geworben, „die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern zu verbessern und die legale Arbeitsmigration zu erleichtern“, zugleich aber angekündigt, mit dem Abkommen auch „eine engere Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten“ anzustreben. Das wirkte kontraproduktiv in einer Situation, als sich in Mexiko gerade rund 10.000 Migranten zum Marsch in Richtung US-Grenze aufgemacht hatten.
Kubas Außenminister Bruno Rodríguez kritisierte das von den USA angestrebte Abkommen daraufhin als „Beispiel für eine rassistische, fremdenfeindliche und ausbeuterische Sichtweise von Migranten“. Bidens Erklärungen gingen „in keiner Weise auf die tatsächlichen Ursachen der Migration ein“, zitierte die KP-Zeitung „Granma“ den Außenminister. Es werde „unmöglich sein, konkrete Ergebnisse bei der Bewältigung der irregulären Migrationsströme zu erzielen, wenn es nicht zum Dialog und zur echten Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Regierungen kommt, um auf ein Problem von globaler Bedeutung zu reagieren“, erklärte Rodríguez. Auch Chiles Präsident Gabriel Boric warf der US-Regierung vor, eine regionale Lösung durch den Ausschluss von Kuba, Venezuela und Nicaragua zu sabotieren. Er verwies darauf, dass „Ausgrenzung nur Isolation fördert und keine Ergebnisse bringt“ und forderte die USA auf, „die ungerechte und inakzeptable Blockade gegen das kubanische Volk ein für alle Mal zu beenden“. Premierminister Philip Davis von den Bahamas ergänzte: „Die Blockade gegen unsere kubanischen Nachbarn ist die längste in der Geschichte und trägt direkt zur irregulären Migration bei.“ Dessen Amtskollegin Mia Amor Mottley aus Barbados appellierte an Biden: „Es geht um Menschen, nicht um Ideologien.“
Am Ende dokumentierte das Gipfeltreffen den schwindenden Einfluss der USA in ihrer eigenen Hemisphäre. Wie die kubanische Agentur „Prensa Latina“ am Freitag resümierte, hatten von 32 Rednern nur die rechten Präsidenten Brasiliens (Jair Bolsonaro) und Kolumbiens (Iván Duque) die Angriffe Washingtons auf die drei ausgegrenzten Länder unterstützt. Lediglich Luis Almagro, der Generalsekretär der von Washington dominierten OAS, der 2019 den Putsch gegen Boliviens Präsidenten gefördert hatte, teilte deren Position. Dagegen hatten Vertreter aus 20 Staaten den Ausschluss Kubas, Venezuelas und Nicaraguas angeprangert.
Ein parallel zu dem offiziellen OAS-Treffen von rund 250 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den USA und Lateinamerika organisierter alternativer „Gipfel der Völker für Demokratie“ bezeichnete die Ziele der US-Regierung und ihrer Verbündeten als „Vision, die die politischen und wirtschaftlichen Interessen Washingtons und des Großkapitals über die der Völker stellt“. Der letztlich gescheiterte „Amerikagipfel“ habe jedoch gezeigt, dass die USA der „gefährlichen Illusion“ erliegen, sie könnten „ihre Hegemonie in der Welt aufrechterhalten“, womit sie „die Menschheit und den Planeten“ gefährden, heißt es in einer Erklärung des alternativen Demokratiegipfels.

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"Gescheiterter Gipfel", UZ vom 17. Juni 2022



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