Anfang November trat der Gouverneur der ukrainischen Stadt Odessa zurück, nach seinen eigenen Worten deswegen, weil er durch die ukrainische Regierung an der Bekämpfung der Korruption gehindert wird. Richtig ist daran, dass die ukrainische Regierung an einer Bekämpfung der Korruption nicht interessiert ist.
Möglicherweise ist es Saakaschwili nicht gelungen, sich einen befriedigenden Anteil an Korruptionseinnahmen in Odessa zu sichern, worauf seine Auseinandersetzungen mit dem Oligarchen Kolomojskij und dem Bürgermeister von Odessa, Truchanow, hinweisen. Man sollte sich auch daran erinnern, dass zu den Straftatbeständen, wegen denen gegen den früheren georgischen Präsidenten Saakaschwili in Georgien ermittelt wurde, neben der Misshandlung von Gefangenen auch die Verwendung von öffentlichen Geldern zu seinem persönlichen Nutzen zählt. Auch in der Ukraine wurde inzwischen bei der Generalstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen ihn angestrengt, weil er beim Verkauf eines Werks in Odessa den Verkaufspreis gedrückt haben soll, mit einem angeblichen Schaden für die Staatskasse von 250 Mio. Dollar. Urheber dieses Verfahrens sind Abgeordnete des ukrainischen Parlaments vom „Block Petro Poroschenko“ und der „Vaterlandspartei“ Timoschenkos. Ein weiterer Hinweis auf interne Auseinandersetzungen um Einflusssphären und Mittel. Weder der Krieg gegen den Donbass noch der Einfluss oligarchischer Clans steht bei irgendeinem der Beteiligten in Frage.
Gleichzeitig mit Saakaschwili ist auch der Odessaer Polizeichef und ehemalige stellvertretende Innenminister von Georgien, Lortkipanidse, zurückgetreten. In seine Verantwortung fallen die Polizeieinsätze gegen Demonstranten etwa bei Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Angriffs auf das Gewerkschaftshaus durch Faschisten am 2. Mai 2014 – gegen die Täter wurde bis heute nicht vorgegangen – oder auf Veranstaltungen zum Tag des Sieges am 9. Mai.
Plausibel klingt die These, dass das Gouverneursamt in Odessa für Saakaschwili nur ein Sprungbrett in die ukrainische Politik sein sollte. Als im April 2016 der ukrainische Premierminister Jazenjuk sich nicht mehr halten konnte, hatte sich Saakaschwili möglicherweise einen Aufstieg erhofft. Zu diesem Zeitpunkt traf er sich mit dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt, scheint jedoch nicht näher in Betracht gezogen worden zu sein. Stattdessen wurde der bisherige Parlamentspräsident Grojsman Ministerpräsident, dessen Nachfolger wiederum der offene Faschist Parubij.
Nachdem eine mögliche Rückkehr Saakaschwilis in die georgische Politik durch eine Niederlage seiner Partei bei den dortigen Wahlen im Oktober unmöglich wurde, unternimmt er nun wohl einen Versuch, in der ukrainischen Politik aufzusteigen. Er hat die Gründung einer neuen Partei angekündigt, hat eine Kundgebung in Kiew organisiert und zu vorzeitigen Neuwahlen aufgerufen. Damit begibt er sich in Konkurrenz – oder auch in eine Zusammenarbeit – mit solchen rechtsextremen oder faschistischen Parteien wie Swoboda, der „Radikalen Partei“ oder der „Vaterlandspartei“. Und nicht umsonst hat er sich kürzlich seiner bereits langjährigen Bekanntschaft mit dem neugewählten US-Präsidenten Trump gerühmt.