Geregelte Einreise von Flüchtlingen oder reibungslose Zufuhr von Billig-Arbeitskräften?

Geplant wirr, passiv und hilflos

Von Lucas Zeise

Tut die Regierung nur so, als sei sie ahnungs- und hilflos? Oder ist sie beides wirklich? Frau Merkel war jedenfalls nach eigenem Bekunden „überrascht“, dass sich so viele Flüchtlinge auf den Weg nach Deutschland gemacht hatten. Das muss eine Lüge sein. Schließlich beteiligt sich ihre Regierung als Mitglied der „Freunde Syriens“ am Krieg gegen dieses Land. Hilflos wirkt die Regierung, wenn sie schwankt zwischen dem Jubel über die deutsche Willkommenskultur, der Verschärfung des Asylrechts, der Kürzung von Beihilfen für Flüchtlinge und ihren Ausschluss vom hochgelobten Recht auf Freizügigkeit. Man kann angesichts dessen fast den Rechtsaußen in Presse und Parteien zustimmen, die den „hilflosen Staat“ und seinen Kontrollverlust beklagen. Die Hilflosigkeit wird am besten von der Kanzlerin selbst dargestellt, wenn sie in stundenlangen Fernsehinterviews immer wieder den Satz variiert „Wir schaffen das“, aber nie sagt, was wir oder sie da eigentlich schaffen sollen.

Die Unternehmer klagen seit Jahren über den angeblichen Fachkräftemangel, und der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) hat vergangene Woche die Kanzlerin ermahnt, endlich für die reibungslose Zufuhr der hereinströmenden Arbeitskräfte zu sorgen. So furchtbar schwer wäre es für die Exekutive eines reichen und großen Landes ja nicht, für die Inte-gration von einer Million Immigranten zu sorgen. Es muss dazu ein großer Schwung neuer Arbeitsplätze besorgt, es müssen Wohnungen gebaut und Lehrer zum Erlernen der deutschen Sprache eingestellt werden. Die geregelte Einreise der Flüchtlinge und ihre Unterbringung ist dabei die noch leichtere organisatorische Übung. Würden Regierung und Verwaltung das effizient und geräuschlos erledigen, wären die Sorgen derer geringer, die vom Zustrom von Menschen zusätzliche Konkurrenz um den Arbeitsplatz und billigen Wohnraum befürchten müssen.

Diese Sorgen sind aber erwünscht. Die Regierung gibt sich alarmiert und (fast) überfordert von der Größe des Problems. Das entspricht der oft erprobten Methode, die Wut der Menschen auf die Zustände, unter denen sie leben, auf Fremde, Migranten und noch Ärmere abzulenken. Dazu werden die Handlungsmöglichkeiten des Staates ganz klein dargestellt. Es wird so getan, als müssten sich nun eine Million mehr Bürger in eine unveränderbare Menge an Schulen, Wohnraum, Sozialleistungen und sogar Arbeitsplätzen teilen. Sie sollen ihre Ansprüche reduzieren. Die Unternehmen brauchen den Zustrom von Arbeitskräften, um den Lohn aller zu drücken. Deshalb soll der Mindestlohn weg. Deshalb soll die Sorge um den Arbeitsplatz verstärkt werden.

Angelpunkt dieser Strategie ist die Lüge von den eng begrenzten Staatsfinanzen. Sie behindert als Schuldenbremse auch die Gemeinde- und Kreisverwaltungen, die willig sind, effektiv zu handeln. Im Zentrum der erfundenen Tatenlosigkeit sitzt Wolfgang Schäuble. Der Finanzminister spricht jede Woche den schuldenfreien Bundeshaushalt heilig. Seine „schwarze Null“ ist Symbol und harter Kern der geplant wirren, passiven und hilflosen Regierungspolitik.

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"Geplant wirr, passiv und hilflos", UZ vom 13. November 2015



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