Es hat nicht sehr lange gedauert, bis die US-Demokraten und ihr neuer Präsident, Joseph Biden, auf die neue Linie eingenordet worden sind. Während der Amtszeit von Donald Trump wurden Russland und insbesondere Präsident Putin zum Inbegriff des Bösen. Putin hatte nach Ansicht der Demokraten sogar die US-Wahlen manipuliert und Trump zum Präsidenten gemacht. Putin wollte darüber hinaus mit der Pipeline Nord Stream 2 die Europäer in Erdgas-Abhängigkeit von Russland zwingen und so auch die Ukraine von Gaslieferungen und Transitgebühren abschneiden. Das galt bis letzte Woche. Nun weht ein anderer Wind.
Nach dem Motto „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern“ hat Washington nun grünes Licht für Nord Stream 2 signalisiert. Das US-Imperium hat sich offenbar dazu durchgerungen, Positionen zu räumen, die nicht mehr zu halten sind. Es hat sich die Erkenntnis verbreitet, dass ein Mehrfrontenkrieg im Südchinesischen Meer, im Persischen Golf und im Schwarzen Meer nicht mehr zu gewinnen ist. Wenn China erfolgreich am Aufstieg gehindert werden soll, und das ist das strategische Ziel, dann funktioniert das nur unter Anspannung aller Kräfte.
Natürlich hatte die Dämonisierung Putins mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Nord Stream 2 wurde vor allem von der Bundesregierung aus Union und SPD gefeatured. Es ging Merkel & Co. um die energiepolitische Dominanz in Europa, die Verbesserung des deutschen Energiemix und die Unabhängigkeit von Erpressungsmanövern der Ukraine. Wladimir Putin hatte sich angesichts der politischen Lage nur widerwillig auf Nord Stream 2 eingelassen. Die Russen sind ohnehin immer stärker auf Asien orientiert. Die bei jeder Gelegenheit mit Sanktionen um sich werfenden Europäer sind keine verlässlichen Partner mehr und es ist unklar, ob die EU in dieser Form noch eine relevante Überlebenschance hat.
Die Aufhebung der Nord-Stream-Sanktionen ist denn auch ein weiteres Friedensangebot an Moskau. Joe Biden möchte gern Wladimir Putin treffen. Die Arbeiten an Nord Stream 2 haben deutsche Gewässer erreicht und dürften vor der Bundestagswahl fertig gestellt werden. Eine etwas dumme Lage für atlantische Hardliner wie Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Die grüne „Spitzenfrau“, die sich gern royalistischer als der König zu geben pflegt, scheint nun mit ihrem Nord-Stream-Bashing auf so etwas wie einem verlorenen Posten zu stehen.