Russland-Sanktionen scheitern auch dank China

Geopolitik im Shopping-Center

Kolumne von Gert Ewen Ungar

Ende März war Chinas Präsident Xi Jinping in Moskau. Der Staatsbesuch fand breite Beachtung. Russland und China vertieften ihre Beziehungen, die Präsidenten beider Länder zeigen offen ihre Freundschaft.

Der Prozess der Annäherung wurde damit allerdings nicht initiiert, sondern nur fortgeschrieben und auf eine neue Ebene gehoben. So nimmt Russland in der chinesischen „Belt and Road“-Initiative eine zentrale Stellung ein. Zuvor schon kooperierten Russland und China gemeinsam mit Indien, Südafrika und Brasilien im Rahmen der BRICS. Zudem sind beide Länder wichtige Mitglieder der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), die das Ziel der Vertiefung der wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Zusammenarbeit der Mitgliedsländer hat. Weiterhin geht es der Organisation auch um die Eindämmung des Einflusses der NATO in der Region.

Auf der transnationalen Ebene sind beide Länder also gut vernetzt. Natürlich hat das auch konkrete Auswirkungen im Alltag hier in Russland.

Portraet Ungar - Geopolitik im Shopping-Center - Russland, VR China - Internationales
Gert Ewen Ungar

Zahlreiche westliche Firmen haben aufgrund politischen Drucks im Rahmen des westlichen Sanktionsregimes den russischen Markt verlassen. Ziel der Sanktionen ist unter anderem, in der russischen Gesellschaft einen umfassenden Mangel auszulösen, um Russland zu destabilisieren. Bisher wurde daraus auch dank der Zusammenarbeit mit China nichts und es sieht auch nicht so aus, als würde sich der Plan in Zukunft erfüllen. In die durch den Rückzug westlicher Firmen entstandenen Nischen sind oftmals chinesische Anbieter eingesprungen. Besonders deutlich sichtbar ist dies auf Russlands Straßen. Zahlreiche westeuropäische und japanische Automarken haben dem russischen Markt den Rücken gekehrt. Bereits geschlossen wurden unter anderem auch die Produktionsstätten von BMW in Kaliningrad und die Fertigungszentren von Daimler.

Für die Fahrer westlicher Marken wurde der Besitz einer deutschen Automarke – bisher ein Statussymbol – schlagartig zum Problem. Die Beschaffung von Ersatzteilen wurde schwierig und deutlich teurer, denn nicht nur die Produktion wurde eingestellt, sondern auch die Lieferung von Ersatzteilen. Die Ersatzteilversorgung funktioniert inzwischen über den sogenannten „Parallelimport“: Ein weiterer Zwischenhändler mit Sitz in einem Drittland wird in die Lieferkette aufgenommen. Das erhöht den Preis.

Von all der daraus resultierenden Unsicherheit profitieren russische, aber auch ganz stark chinesische Hersteller. Der Anteil chinesischer Automarken auf Russlands Straßen nimmt rapide zu.

Die chinesischen Modelle zeichnen sich durch ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis aus und stehen in Qualität und Ausstattung westlichen Marken in nichts nach. In technischer Hinsicht wirken sie häufig sogar fortschrittlicher. Es sind in Deutschland weitgehend unbekannte Marken wie Haval, GAC, Exeed, Changan, Geely und Chery, die unmittelbar die Nischen gefüllt haben.

Auch im Elektronikbereich konnte China seine ohnehin schon starke Präsenz in Russland weiter ausbauen. Der Konzern Xiaomi mit seiner breiten Angebotspalette von Handys bis zu smarten Küchengeräten hat inzwischen eine Präsenz in jedem größeren Einkaufszentrum.

Macht man einen Bummel durch M.Video, das russische Pendant zu Saturn und MediaMarkt, dann ist China allgegenwärtig – auch mit Produkten, für die China in Deutschland wenig bekannt ist. Beispielsweise sind die Haushaltsgeräte des chinesischen Herstellers Haier exponiert ausgestellt – modernes Design, gute Verarbeitung. Geräte von Miele und Co. sind dagegen verschwunden.

In den Supermarktregalen findet man inzwischen Wasch- und Reinigungsmittel mit chinesischer Aufschrift. Die Hersteller Henkel sowie Procter & Gamble sind zwar noch da, ihr Angebot ist jedoch deutlich reduziert. Das sind nur ein paar Beispiele von vielen – es ließen sich noch zahllose weitere finden.

Klar ist: Der russische Markt ist für viele deutsche Hersteller dauerhaft verloren. Es entstand aber trotz deren Abwanderung kein Engpass, der russische Markt hat sich umorientiert. Zudem hatte der Rückzug deutscher Firmen einen enormen Imageschaden zur Folge – das Vertrauen in die Zuverlässigkeit deutscher Hersteller ging verloren.

Unser Kolumnist Gert Ewen Ungar ist Journalist, vor einiger Zeit nach Moskau gezogen und berichtet von dort regelmäßig für uns.

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"Geopolitik im Shopping-Center", UZ vom 21. April 2023



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