Wilhelmsburg-Kaserne wird zur Drehscheibe beim Aufmarsch gegen Russland

Generalprobe für NATO-Kommando in Ulm

Nun ist „Defender 2021“ angelaufen, eines der größten NATO-Manöver seit Ende des 2. Weltkriegs. 28.000 Soldaten aus 26 Mitgliedstaaten proben die Anlandung von Truppen auf dem Seeweg, Raketentests und Luftlandeübungen vom Baltikum bis hinunter ans Schwarze Meer. Nachdem „Defender 2020“ wegen der Corona-Pandemie nur in geringem Umfang stattfinden konnte, soll nun aufs Neue demonstriert werden, wie große Truppenteile schnell quer durch Europa auf feindliches Gebiet verlegt werden können.

Mit der NATO ist zu rechnen, in „Nordeuropa, im Kaukasus, in der Ukraine und in Afrika“, heißt es auf der Webseite des Kommandos der US Army Europe. Der Bundeswehr fällt gemäß der Einsatzkonzeption die Aufgabe zu, für den reibungslosen Transit der US-Truppen auf der Straße und per Eisenbahn zu sorgen, von Deutschland über Österreich nach Ungarn sowie nach Slowenien. Das eigentlich „neutrale“ Österreich stellt für die von Deutschland aus zugeführten Streitkräfte Kaserneninfrastruktur sowie Betankungsstellen zur Verfügung. Das österreichische Truppenaufenthaltsgesetz erlaubt seit 2001 solche Transits.

In der zweiten Maihälfte werden die zugeführten NATO-Truppen sodann in der Teilübung „Swift Response“ in Estland unweit der russischen Grenze und – unter Beteiligung einer deutschen Fallschirmjägerkompanie – in Rumänien entlang der ukrainischen Grenze eingesetzt. Dies und der Umstand, dass, obwohl (noch) nicht NATO-Mitglied, auch ukrainische Verbände in das Manöver eingebunden sind, fasst das russische Außenministerium als Provokation auf. Russland hatte vor Wochen seine Truppen aus der Grenzregion zur Ukraine zurückgezogen.

Für das 2018 ins Leben gerufene Unterstützungskommando der NATO „Joint Support and Enabling Command“ (JSEC) im schwäbischen Ulm ist „Defender 2021“ die Generalprobe. Während sich das im US-amerikanischen Norfolk angesiedelte „Joint Forces Command“ (JFC) auf Truppenverlegungen im transatlantischen Raum konzentriert, sind die etwa 300 Soldaten der Kommandozentrale in Ulm für den gesamten europäischen Raum bis an die Grenze Russlands zuständig. Das in der Wilhelmsburg-Kaserne stationierte Kommando ist laut der NATO-Direktive „Gesteigerte Mobilität im rückwärtigen Raum“ allein verantwortlich für Schutz, Absicherung und Koordination von Truppen- und Materialbewegungen im „Krisenfall“. Kernaufgabe ist, „dass die richtigen Truppen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind“.

Ulm, in dem sich neben weiteren Bundeswehreinheiten zahlreiche Rüstungsbetriebe wie Airbus Defence, MBDA, Hensoldt und Thales Electronic Systems tummeln, wird damit zur Schaltstelle und Logistikdrehscheibe für die europäischen Aufmarschgebiete der NATO. In der Konzeption der Bundeswehr vom 20. Juli 2018 steht das JSEC in Ulm für jede „Verlegung von Kräften an die Grenzen des Bündnisgebiets“. In der Bevölkerung der Donaustadt formiert sich Protest gegen die Militarisierung. Die Forderung „Abrüstung beginnt vor Ort“ einte anlässlich des Ostermarsches im April ein breites Bündnis von Zivilorganisationen, kirchlichen Verbänden, Gewerkschaften und Parteien, darunter auch DKP und SDAJ.

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"Generalprobe für NATO-Kommando in Ulm", UZ vom 21. Mai 2021



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