Sie habe sich immer wieder gewundert, was das für ein „Triggerwort“ sei, dieses kleine Wort „feministisch“, kokettierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei der Vorstellung ihrer „Leitlinien für eine feministische Außenpolitik“. Dabei sei das, was sie und die Ampel-Regierung mit den Leitlinien anstrebten, etwas, „was im 21. Jahrhundert eigentlich selbstverständlich sein sollte – nämlich, dass alle Menschen die gleichen Rechte, Freiheiten und Chancen haben“. Frauen stellten bekanntermaßen in jedem Land die Hälfte der Gesellschaft. Feministische Außenpolitik sei „kein Kampfbegriff“ und „kein Gedöns“, es sei „eine harte Sicherheitsfrage“. „Wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist niemand sicher“, zitierte Baerbock in ihrer Rede eine Ukrainerin, die sie nahe der Kontaktlinie im Osten der Ukraine gesprochen habe, noch vor dem 24. Februar 2022. Der Satz habe sie seitdem begleitet. Wahr sei aber auch, so Baerbock weiter: „Wo Frauen sicher sind, dort sind wir alle sicherer. (…) Wir wissen, dass Friedensverträge stabiler sind, wenn sie von Frauen mitgeschrieben werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass solche Abkommen halten, steigt um 20 Prozent.“
Das mag sich für die eine oder den anderen alles schön anhören. Zynisch ist dabei aber doch, dass sich Baerbock ausdrücklich weigert, diplomatisch für einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung in der Ukraine aktiv zu werden. Mit dem nachdrücklichen Ruf nach der Lieferung immer weiterer und immer schwererer Waffen setzt die Grünen-Ministerin wie die militärisch und finanziell zu 100 Prozent vom Westen abhängige Regierung in Kiew auf einen Sieg über Russland.
Baerbock will im eigenen Haus aufräumen, nicht in der politischen Ausrichtung. Es sollen neue Arbeitsweisen und neue Strukturen entwickelt werden, die helfen sollen, einen „feministischen Reflex“ auszubilden. Der Anteil der Frauen unter den Leitern der 226 deutschen Auslandsvertretungen soll von derzeit 27 Prozent auf mindestens die Hälfte steigen. Begleitdelegationen bei Reisen der Ministerin sollen geschlechterparitätisch zusammengesetzt sein. Im Sommer wird eine „Botschafterin des Auswärtigen Amts für feministische Außenpolitik“ ernannt. Projektmittel sollen bis zum Ende der Legislaturperiode zu 85 Prozent „gendersensibel“ ausgegeben werden und 8 Prozent der Mittel „gendertransformativ“. Doch was hilft all das, wenn die deutsche Botschafterin in Kiew schweigt, wenn dem in Bachmut getöteten Anführer der faschistischen Gruppierung „Rechter Sektor“, Dmitro Kozjubailo, in Anwesenheit tausender Anhänger vom Verteidigungsminister, vom Oberkommandierenden der Armee und von Präsident Wladimir Selenski persönlich die letzte Ehre erwiesen wird?
Feministische Außenpolitik sei „kein Zauberstab, mit dem wir das Unrecht dieser Welt im Handumdrehen wegzaubern könnten“, sagte die Ministerin im Großen Weltsaal ihres Hauses. Und im Vorwort des gut 80 Seiten langen Papiers heißt es gleich eingangs: „Russlands Krieg gegen die Ukraine zeigt, dass im Angesicht brutaler Gewalt Menschenleben auch mit militärischen Mitteln geschützt werden müssen. Deshalb ist feministische Außenpolitik nicht gleichbedeutend mit Pazifismus.“ Waffenlieferungen und Schutz von Frauen werden als zwei Seiten derselben Medaille ausgegeben. Baerbock hat dafür den Begriff des „Realfeminismus“ in Umlauf gebracht. Mit den Streiterinnen des ersten internationalen Frauenfriedenskongresses 1915, die sich für einen sofortigen Waffenstillstand, Vermittlungen und ein Ende der Aufrüstung einsetzten, hat all das nichts zu tun. Auch nicht mit dem Eintreten für Geschlechtergerechtigkeit einer Bertha von Suttner oder einer Clara Zetkin.
Baerbocks Leitlinien sind die Softpower für einen Imperialismus, der gendersensibel ist, wenn es passt. Diese feministische Außenpolitik macht sich reichlich Gedanken, wo in einem nigerianischen Dorf am besten ein Klo gebaut werden soll, damit Frauen und Mädchen dieses auch in der Nacht sicher erreichen können. Gleichzeitig verteidigt die Grünen-Ministerin knallhart die Fortführung der Wirtschaftssanktionen gegen Syrien, die den Wiederaufbau des Landes blockieren und die Instandsetzung des Abwassernetzes oder die Errichtung neuer Wohnungen inklusive Toiletten für Millionen Menschen massiv verzögern. Es darf daher nicht verwundern, dass die deutsche Außenministerin im globalen Süden nicht wirklich ernst genommen wird.