Über den Tarifabschluss Druckindustrie

Gemeinsam in die Defensive

Franz Sperr

Der Tarifabschluss kam zu später Stunde. ver.di hatte mit dem Bundesverband Druck und Medien (bvdm) Lohnerhöhungen für die rund 106.000 Beschäftigten der Druckindustrie verhandelt. Das Ergebnis: Nach vier Nullmonaten werden die Löhne der Beschäftigten im Juli um 3,9 Prozent erhöht, im Juli 2025 um weitere 2 Prozent und im März 2026 um weitere 1,9 Prozent. Die Laufzeit dieses Tarifvertrages beträgt 29 Monate.

Vorausgegangen waren wochenlange Streiks für 12 Prozent mehr Lohn auf 12 Monate unter dem Motto „Gemeinsam in die Offensive“. In diversen Zeitungsdruckereien, aber auch beim Banknotendruck in Leipzig oder beim Pappbecherproduzenten Huhtamaki in Ronsberg standen Maschinen still und Zeitungen erschienen in reduziertem Umfang. Am 18. Juni kamen rund 300 Streikende aus Bayern und Baden-Württemberg nach Ulm. Die Streikbewegung war vor allem in Süddeutschland stark vertreten, auch Betriebe ohne Tarifbindung beteiligten sich an Warnstreiks und Aktionen. Spürbar war aber auch, dass seit dem letzten Tarifabschluss viele Betriebe geschlossen oder Personal abgebaut hatten.

Bis zu dieser Verhandlungsrunde bot der Arbeitgeberverband magere 2 Prozent dieses Jahr und 1 Prozent nächstes Jahr an. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sahen stattdessen Aufholbedarf, da der vorangegangene Tarifabschluss 2022 durch die Inflation überrollt worden war. Die Streikenden bereiteten sich bereits auf mögliche Urabstimmungen oder Verhandlungen auf Länderebene vor und die Streikbeteiligung nahm in den letzten Wochen weiter zu. Der plötzliche Tarifabschluss wird daher von vielen Beschäftigten wie eine Niederlage wahrgenommen. Man habe zwar den bundesweiten Flächentarif gerettet, aber dafür deutlich zu wenig Geld herausbekommen. Es stelle sich ohnehin die Frage, ob es bei so wenig tarifgebundenen Betrieben nicht sinnvoller wäre, regional oder in einzelnen Betrieben zu verhandeln, so die Kritik. Durch die lange Laufzeit sei es zudem nicht möglich, auf künftige Preissteigerungen zu reagieren und auch eine Synchronisation mit der im Frühjahr 2025 anstehenden Tarifrunde in der papierverarbeitenden Industrie sei dadurch nicht mehr möglich.

Positiv bewertet wird, dass die untersten Lohngruppen auf mindestens 13 Euro angehoben werden sollen. Auch die Ausbildungsvergütungen steigen überproportional um zweimal 6 Prozent. Im Herbst wird der Manteltarifvertrag Druckindustrie neu verhandelt, beim letzten Tarifabschluss 2022 konnte er nur durch geringere Lohnerhöhungen nochmals verlängert werden. Dieser Tarifvertrag garantiert noch die 35-Stunden-Woche, eine Mindestpersonalbemessung pro Druckmaschine sowie diverse Zuschläge, die rund 30 Prozent des Lohnes ausmachen. Durch diesen Tarifabschluss bleibt zu befürchten, dass der Arbeitgeberverband auch dort den Rotstift ansetzen wird und die Beschäftigten weiter in die Defensive gehen müssen.

In den nächsten Wochen werden die Mitglieder in den Streik- und Aktionsbetrieben befragt. Ob das Tarifergebnis die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder erhält, ist noch offen. Bis zum 19. Juli entscheidet die Bundestarifkommission dann über Annahme oder Ablehnung.

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"Gemeinsam in die Defensive", UZ vom 28. Juni 2024



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