Rede Sergej Lawrows bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats über multilaterale Zusammenarbeit

„Gemeinsam hin zu wahrer Multilateralität“

Sergej Lawrow

Auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrats am 16. Juli 2024 in New York – Thema: „Internationalen Frieden und Sicherheit erhalten: Multilaterale Zusammenarbeit zugunsten einer gerechteren, demokratischeren und nachhaltigeren Weltordnung“ – kritisierte Russlands Außenminister Sergej Lawrow den aggressiven Kriegskurs des „Wertewestens“ und skizzierte eine multilaterale Weltordnung, in deren Zentrum eine gestärkte UNO steht. Wir geben die Rede Lawrows redaktionell leicht bearbeitet und geringfügig gekürzt wieder:

Sehr geehrte Damen und Herren,
Eure Exzellenz,

heute werden die Grundlagen der internationalen Rechtsordnung auf die Probe gestellt – die strategische Stabilität und das UN-zentrierte System der Weltpolitik. Es ist unmöglich, die zunehmenden Konflikte zu lösen, wenn man nicht ihre Ursachen klärt und das Vertrauen in unsere Fähigkeit wiederherstellt, die Anstrengungen zum Wohle und zur Gerechtigkeit für alle zu vereinen.

Wollen wir ehrlich sein: Bei weitem nicht alle Staaten, die in diesem Saal vertreten sind, erkennen das grundlegende Prinzip der UN-Charta an: die souveräne Gleichheit aller Staaten. Die USA haben längst durch ihre Präsidenten ihre eigene Ausschließlichkeit erklärt. Dies betrifft das Verhalten Washingtons gegenüber seinen Verbündeten, von denen bedingungslose Gehorsamkeit verlangt wird, selbst auf Kosten ihrer nationalen Interessen.

Herrsche, Amerika! Darin liegt das Wesen der berüchtigten „auf Regeln beruhenden Ordnung“ – einer direkten Bedrohung für die Multilateralität und den internationalen Frieden.

Die wichtigsten Bestandteile des Völkerrechts – die UN-Charta und die Beschlüsse unseres Rats – werden vom „kollektiven Westen“ verzerrt und selektiv gedeutet, je nachdem, welche Anweisungen aus dem Weißen Haus kommen. Viele Resolutionen des Sicherheitsrats werden sogar ignoriert. Dazu gehören die Resolution 2202, die die Minsker Abkommen zur Ukraine billigte, die Resolution 1031, die das Abkommen von Dayton über den Frieden für Bosnien und Herzegowina auf Grundlage des Prinzips der Gleichberechtigung der drei konstitutiven Völker und der zwei Entitäten billigte. Über die Sabotage von Resolutionen zum Nahen Osten kann man endlos sprechen – nehmen wir alleine die Antwort von Antony Blinken in einem CNN-Interview im Februar 2021 auf die Frage, was er zur Entscheidung der vorherigen US-Administration denkt, die Zugehörigkeit der syrischen Golanhöhen zu Israel anzuerkennen. Falls jemand sich nicht erinnert, erinnere ich daran. Auf diese Frage antwortete der US-Außenminister: „Wenn man die Frage der Rechtmäßigkeit beiseite lässt, sind die Golanhöhen aus praktischer Sicht sehr wichtig für die Sicherheit Israels.“ Und das, obwohl die Resolution 497 des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 1981, die, wie wir gut wissen, nie aufgehoben wurde, die Annexion der Golanhöhen durch Israel als rechtswidrig einstuft. Aber gemäß den „Regeln“ sollte man Blinken zufolge die „Frage der Rechtmäßigkeit beiseite lassen“. Und natürlich erinnern wir uns noch an die Aussage des US-Botschafters, dass die am 25. März verabschiedete Resolution 2728, die einen sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen fordert, „nicht rechtlich bindend“ sei. Das bedeutet, dass die amerikanischen „Regeln“ wichtiger sind als Artikel 25 der UN-Charta.

Im vergangenen Jahrhundert hat George Orwell in „Farm der Tiere“ bereits das Wesen der „auf Regeln beruhenden Ordnung“ vorausgesehen: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als die anderen.“ Wenn man dem Willen des Hegemons folgt, ist dir alles erlaubt. Aber wenn man es wagt, eigene nationale Interessen zu verteidigen, wird man zum Außenseiter erklärt und mit Sanktionen belegt.

Die hegemoniale Politik Washingtons ändert sich seit Jahrzehnten nicht. Alle ohne Ausnahme euroatlantischen Sicherheitsschemas basierten auf der Gewährleistung der Dominanz der USA, einschließlich der Unterwerfung Europas und der „Abschreckung“ Russlands. Die Hauptrolle wurde der NATO zugewiesen, die schließlich die eigentlich für die Europäer geschaffene Europäische Union unter ihre Kontrolle gebracht hat. Die Strukturen der OSZE wurden ungeniert privatisiert, als grober Verstoß gegen die Schlussakte von Helsinki.

Die rücksichtslose NATO-Erweiterung, trotz zahlreicher jahrelanger Warnungen Moskaus, hat auch die Ukraine-Krise provoziert, beginnend mit dem vom Washington organisierten Staatsstreich im Februar 2014, um die vollständige Kontrolle über die Ukraine zu erlangen und eine Offensive gegen Russland mithilfe des an die Macht gebrachten neonazistischen Regimes vorzubereiten. Als Pjotr Poroschenko und dann Wladimir Selenski einen Krieg gegen ihre eigenen Bürger im Donbass führten, die russische Bildung, die russische Kultur, die russischen Medien und die russische Sprache im Ganzen auf Gesetzesebene zerstörten, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche verboten, bemerkte dies niemand im Westen, forderte niemand von seinen Schützlingen in Kiew, „den Anstand zu wahren“, die internationalen Übereinkommen über die Rechte von nationalen Minderheiten nicht zu verletzen und auch nicht die ukrainische Verfassung, die die Einhaltung dieser Rechte vorschreibt. Gerade zur Beseitigung der Sicherheitsbedrohungen für Russland und für den Schutz der Menschen, die sich als Teil der russischen Kultur fühlen und in den Gebieten leben, die seit Jahrhunderten von ihren Vorfahren besiedelt wurden, um sie vor gesetzlicher, gar physischer Ausrottung zu retten, wurde die militärische Spezialoperation gestartet.

Es ist bemerkenswert, dass auch jetzt, wenn zahlreiche Initiativen zur Regelung des Ukraine-Konflikts aufgebracht werden, nur wenige die Verletzung der Menschenrechte und der Rechte von nationalen Minderheiten durch Kiew erwähnen. Erst vor kurzem wurde in den Dokumenten der EU zum Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine eine entsprechende Forderung formuliert, hauptsächlich dank der prinzipiellen und beharrlichen Position Ungarns. Doch die realen Möglichkeiten und der Wunsch Brüssels, das Kiewer Regime zu beeinflussen, sind fraglich.

Wir rufen alle, die ernsthaft daran interessiert sind, die Krise in der Ukraine zu überwinden, auf, in ihren Vorschlägen das Hauptproblem der Rechte aller nationalen Minderheiten ohne Ausnahme zu berücksichtigen. Das Schweigen darüber entwertet die Friedensinitiativen, und die rassistische Politik von Wladimir Selenski bekommt de facto Zustimmung. Bemerkenswert ist, dass Selenski im Jahr 2014 sagte: „Wenn die Menschen im Osten der Ukraine und auf der Krim Russisch sprechen wollen – lassen Sie sie in Ruhe, lassen Sie sie gesetzlich Russisch sprechen. Die Sprache wird unser Heimatland niemals spalten.“ Seitdem hat Washington ihn erfolgreich umerzogen, und bereits im Jahr 2021 forderte Selenski in einem Interview diejenigen, die eine Verbindung zur russischen Kultur spüren, auf, nach Russland abzuhauen, im Interesse ihrer Kinder und Enkelkinder.

Ich wende mich an die Herren des ukrainischen Regimes: Zwingen Sie es, Artikel 1.3 der UN-Charta zu beachten, der die Grundrechte und Freiheiten aller Menschen „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Geschlecht, Sprache und Religion“ garantiert.

Sehr geehrte Kollegen,

der NATO genügt der von ihr entfesselte Krieg gegen Russland nicht mehr, bei dem die illegalen Behörden in Kiew ihre Hände mit im Spiel haben, auch der gesamte OSZE-Raum reicht ihr nicht mehr. Nach der fast vollständigen Zerstörung der grundlegenden Vereinbarungen im Bereich der Rüstungskontrolle setzen die USA weiterhin auf Konfrontation. Vor kurzem haben die Anführer der NATO-Staaten auf dem Gipfeltreffen in Washington ihre Ansprüche auf eine führende Rolle nicht nur in der Euro-Atlantik-, sondern auch in der Asien-Pazifik-Region zum Ausdruck gebracht. Es wird erklärt, dass die NATO sich nach wie vor nach der Aufgabe richte, das Territorium ihrer Mitglieder zu schützen, aber dafür müsse die Allianz ihre Dominanz auf den gesamten eurasischen Kontinent und die angrenzenden Meeresgebiete ausdehnen. Die militärische Infrastruktur der NATO dringt in die Region des Pazifischen Ozeans vor, mit dem offensichtlichen Ziel, die ASEAN-zentrierte Architektur zu untergraben, die seit Jahrzehnten auf den Prinzipien der Gleichberechtigung, der gegenseitigen Berücksichtigung von Interessen und Konsens basierte. Als Ersatz für die um die ASEAN aufgebauten inklusiven Mechanismen bilden die USA und ihre Verbündeten ihnen untergeordnete, geschlossene konfrontative Blöcke wie AUKUS und andere Vierer- und Dreierblöcke. Vor kurzem erklärte die stellvertretende Pentagon-Chefin Kathleen Hicks, dass die USA und ihre Verbündeten „sich auf langwierige Kriege vorbereiten müssten, und zwar nicht nur in Europa“.

Um Russland, China und andere Länder, deren unabhängige Politik als Herausforderung für die Hegemonie betrachtet wird, „abzuschrecken“, zerstört der Westen mit seinen aggressiven Handlungen das ursprünglich nach seinen eigenen Vorstellungen geschaffene Globalisierungssystem. Washington hat alles getan, um die Grundlagen der gegenseitig vorteilhaften Energiekooperation zwischen Russland und Deutschland und Europa insgesamt zur Explosion zu bringen (unter anderem auch buchstäblich – durch die Organisation von Terroranschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines). Berlin schwieg damals. Heute sehen wir eine weitere Demütigung Deutschlands, dessen Regierung sich bedingungslos der Entscheidung der USA unterwarf, US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte es einfach so: Die USA haben beschlossen, Präzisionswaffen in Deutschland zu stationieren, und das sei eine gute Entscheidung. Die USA haben dies beschlossen.

Zugleich erklärt John Kirby, Koordinator für strategische Kommunikation in Washington, im Namen des US-Präsidenten: „Wir streben nicht den dritten Weltkrieg an. Das hätte schreckliche Folgen für den europäischen Kontinent gehabt.“ Ein Freudscher Versprecher: In Washington ist man sicher, dass von einem neuen globalen Krieg nicht die USA, sondern ihre europäischen Verbündeten betroffen wären. Wenn auf solch einer Analyse die Strategie der Regierung von Joseph Biden basiert, ist das ein äußerst gefährlicher Irrtum. Und die Europäer sollten erkennen, welche selbstmörderische Rolle für sie vorbereitet ist.

Die Amerikaner, die den gesamten kollektiven Westen die Waffe an den Kopf halten, weiten den Wirtschaftskrieg gegen Unerwünschte aus und haben eine beispiellose Kampagne einseitiger Zwangsmaßnahmen gestartet, die vor allem Europa wie ein Bumerang treffen und zu einer weiteren Fragmentierung der Weltwirtschaft führen. Unter den neokolonialen Praktiken der westlichen Länder leiden die Länder des Globalen Südens in Asien, Afrika und Lateinamerika. Illegitime Sanktionen, zahlreiche protektionistische Maßnahmen, Beschränkungen beim Zugang zu Technologien widersprechen direkt wahrer Multilateralität und schaffen erhebliche Hindernisse für das Erreichen der Ziele der Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen.

Wo sind all die Attribute des freien Marktes, die die USA und ihre Verbündeten allen so viele Jahre beibrachten? Marktwirtschaft, fairer Wettbewerb, Unantastbarkeit des Eigentums, Unschuldsvermutung, Bewegungsfreiheit für Menschen, Waren, Kapital und Dienstleistungen – all das ist heute abgeschafft. Die Geopolitik hat die einst für den Westen heiligen marktwirtschaftlichen Gesetze begraben. Vor kurzem hörten wir öffentliche Forderungen offizieller Vertreter der USA und der EU an China, die „übermäßige Produktion“ in den High-Tech-Bereichen zu reduzieren, weil der Westen auch in diesen Bereichen seine jahrelangen Vorteile zu verlieren beginnt. Statt marktwirtschaftlicher Prinzipien gelten nun die erwähnten „Regeln“.

Sehr geehrte Kollegen,

die Handlungen der USA und ihrer Verbündeten behindern die internationale Zusammenarbeit und den Aufbau einer gerechteren Welt. Ganze Länder und Regionen werden als Geiseln genommen, und den Völkern wird es nicht ermöglicht, die in der UN-Charta festgeschriebenen souveränen Rechte umzusetzen. Diese Handlungen lenken von der so notwendigen gemeinsamen Arbeit zur Regelung von Konflikten im Nahen Osten, in Afrika und anderen Regionen, zum Abbau globaler Ungleichheit, zur Bekämpfung von Terrorismus und Drogenkriminalität, Hunger und Krankheiten ab.

Ich bin überzeugt, dass sich diese Situation – natürlich bei gutem Willen – ändern lässt. Um die Entwicklung des Negativszenarios zu stoppen, möchten wir eine Reihe von Schritten zur Diskussion vorlegen, die darauf abzielen, das Vertrauen wiederherzustellen und die internationale Lage zu stabilisieren.

Erstens ist es notwendig, die Ursachen der in Europa ausgebrochenen Krise ein für alle Mal zu beseitigen. Die Bedingungen für einen nachhaltigen Frieden in der Ukraine wurden vom Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, dargelegt, ich werde sie hier nicht wiederholen.

Eine politisch-diplomatische Regelung muss mit konkreten Schritten zur Beseitigung der Bedrohungen für die Russische Föderation, die von der westlichen, euroatlantischen Richtung ausgehen, ergänzt werden. Bei der Vereinbarung gegenseitiger Garantien und Vereinbarungen müssen die neuen geostrategischen Realien auf dem eurasischen Kontinent berücksichtigt werden, wo eine gesamtkontinentale Architektur einer wirklich gleichen und unteilbaren Sicherheit Gestalt annimmt. Europa riskiert, hinter diesem objektiven historischen Prozess zurückzubleiben. Wir sind bereit, nach einem Interessengleichgewicht zu suchen.

Zweitens muss die Wiederherstellung des regionalen und globalen Kräftegleichgewichts von aktiven Bemühungen zur Beseitigung von Ungerechtigkeiten in der Weltwirtschaft begleitet werden. In einer multipolaren Welt darf es keine Monopolisten in der Währungs- und Finanzregulierung, im Handel oder Technologien geben. Diese Ansicht wird von der überwiegenden Mehrheit der Weltgemeinschaft geteilt. Von besonderer Bedeutung ist die schnellstmögliche Reform der Bretton-Woods-Institutionen und der Welthandelsorganisation, deren Tätigkeit das tatsächliche Gewicht der nichtwestlichen Wachstums- und Entwicklungszentren widerspiegeln sollte.

Drittens müssen ernsthafte, qualitative Veränderungen auch in anderen Institutionen der globalen Verwaltung stattfinden, wenn wir wollen, dass sie zum Wohle aller funktionieren. Dies betrifft vor allem unsere Organisation, die trotz allem immer noch die Verkörperung der Multilateralität darstellt und über eine einzigartige, universelle Legitimität und allgemein anerkannte breite Kompetenz verfügt.

Ein wichtiger Schritt zur Wiederherstellung der Effizienz der UNO wäre die erneute Bestätigung der Grundsätze der UN-Charta durch alle ihre Mitglieder, und zwar nicht selektiv, sondern in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenhang. Über die Form, die eine solche Bestätigung annehmen könnte, kann gemeinsam nachgedacht werden.

Eine große Arbeit leistet die auf Initiative Venezuelas gegründete Freundesgruppe zur Verteidigung der UN-Charta. Wir laden alle Länder, die an die Vorherrschaft des Völkerrechts glauben, ein, sich ihrer Arbeit anzuschließen.

Ein Schlüsselelement der Reform der Vereinten Nationen sollte die Änderung der Zusammensetzung des Sicherheitsrats sein, obwohl dies allein nicht ausreichen wird, um eine produktive Arbeit zu gewährleisten, wenn es keine grundlegende Einigung über die Arbeitsmethoden zwischen den ständigen Mitgliedern gibt. Diese Überlegung hebt jedoch nicht die Notwendigkeit auf, geografische und geopolitische Verzerrungen im Sicherheitsrat zu beseitigen, wo heute die Länder des kollektiven Westens überrepräsentiert sind. Ein längst ausgereifter Schritt ist die Erzielung einer möglichst breiten Einigung über konkrete Parameter der Reform, die darauf abzielt, die Repräsentanz Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu stärken.

Es sind auch Veränderungen in der Personalpolitik des Sekretariats erforderlich, um die Dominanz von Bürgern und Staatsangehörigen westlicher Länder in den Verwaltungsstrukturen der Organisation zu beseitigen. Der Generalsekretär und seine Mitarbeiter sind verpflichtet, die Grundsätze der Unparteilichkeit und Neutralität strikt und ohne Ausnahmen einzuhalten, wie es Artikel 100 der UN-Charta vorschreibt, woran wir immer wieder erinnern.

Viertens sollen zur Stärkung der multipolaren Grundlagen des internationalen Lebens neben der UNO auch andere multilaterale Vereinigungen beitragen. Dazu gehört die G20, in der sowohl die Länder der Weltmehrheit als auch westliche Staaten vertreten sind. Das Mandat der G20 ist streng auf Wirtschafts- und Entwicklungsfragen beschränkt, daher ist es wichtig, dass der substantielle Dialog auf dieser Plattform frei von konjunkturbedingten Versuchen ist, geopolitische Themen einzubringen. Andernfalls wird diese nützliche Plattform zunichtegemacht.

Eine immer größere Rolle beim Aufbau einer gerechten multilateralen Ordnung auf Grundlage der Grundsätze der UN-Charta spielen BRICS und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Dort sind Länder aus verschiedenen Regionen und Zivilisationen vereint, die auf Grundlage von Gleichheit, gegenseitigem Respekt, Konsens und gegenseitig akzeptablen Kompromissen zusammenarbeiten – dem Goldstandard der multilateralen Zusammenarbeit unter Beteiligung von Großmächten.

Von praktischer Bedeutung für die Etablierung der Multipolarität sind regionale Vereinigungen wie die GUS, die OVKS, die EAWU, die ASEAN, der Golfkooperationsrat, die Arabische Liga, die Afrikanische Union und die CELAC. Wir halten es für eine wichtige Aufgabe, vielfältige Verbindungen zwischen ihnen aufzubauen, auch unter Einbeziehung des Potenzials der Vereinten Nationen. Der russische Vorsitz im Rat wird eine der nächsten Sitzungen der Zusammenarbeit der UNO mit eurasischen regionalen Organisationen widmen.

Sehr geehrte Kollegen,

Russlands Präsident Wladimir Putin sagte auf dem BRICS-Parlamentsforum am 9. Juli in Sankt Petersburg: „Der Aufbau einer Weltordnung, die das tatsächliche Kräfteverhältnis widerspiegelt, ist ein schwieriger und in vielerlei Hinsicht sogar schmerzhafter Prozess.“ Wir sind der Ansicht, dass Diskussionen zu diesem Thema ohne Verfall in fruchtlose Polemik und auf Grundlage einer nüchternen Analyse aller Fakten geführt werden sollten. Es ist vor allem notwendig, die professionelle Diplomatie, die Dialogkultur, die Fähigkeit zuzuhören und die Kanäle für Krisenkommunikation wiederherzustellen. Davon, ob Politiker und Diplomaten in der Lage sind, eine Art einheitliche Zukunftsvision zu formulieren, hängen Millionen Menschenleben ab. Ob unsere Welt vielfältig und gerecht sein wird, das hängt nur von den Mitgliedsstaaten ab. Der Stützpunkt, das möchte ich nochmals betonen, ist vorhanden – das ist die Charta unserer Organisation. Wenn alle ohne Ausnahme ihr folgen, werden die Vereinten Nationen in der Lage sein, die aktuellen Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und bei den meisten Fragen einen Konsens zu erzielen. Das „Ende der Geschichte“ ist nicht gekommen. Lassen Sie uns gemeinsam im Interesse des Beginns der Geschichte hin zu wahrer Multilateralität arbeiten, die den Reichtum der kulturellen und zivilisatorischen Vielfalt der Völker der Welt widerspiegelt. Wir laden zu einer Diskussion ein, die selbstverständlich nur ehrlich sein soll.

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