Daimler-Betriebsrat in Untertürkheim distanziert sich von rechter Betriebsratsliste

Gemeinsam gegen Rechts

Von Christa Hourani

Klar distanzieren!

Auszüge aus der Erklärung des Betriebsrates des Daimler-Werks Untertürkheim vom 20. Februar 2018

Offenbar soll der Standort Untertürkheim mit Hilfe der Betriebsratsmandate der Liste Zentrum zu einem rechtsextremen Vorzeigeprojekt mit bundesweitem Vorbildcharakter ausgebaut werden. Gegen einen solchen Missbrauch der Betriebsratsmandate für rechtsradikale Zwecke und Ziele verwahrt sich der Betriebsrat des Werkes Untertürkheim mit aller Entschiedenheit.

Wir halten für uns fest:

(1) Der Betriebsrat distanziert sich strikt von allem rechtsradikalen und neonazistischen Gedankengut und den Aktivitäten einzelner Mitglieder in diesem Zusammenhang und kritisiert eindeutig die Haltung aller, die keine klare Position gegen Rechtsextremismus und Neonazismus einnehmen und sich nicht eindeutig zu den demokratischen Grundwerten bekennen.

(2) Im Werk Untertürkheim arbeiten Kolleginnen und Kollegen aus mehr als 50 verschiedenen Nationen. Der Betriebsrat ist die gewählte pluralistische und demokratische Interessenvertretung aller Kolleginnen und Kollegen an unserem Standort unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, Herkunft, Abstammung, Religion oder Alter. Deshalb lehnen wir jegliche rassistischen, diskriminierenden und herabwürdigenden Aussagen ab. Wenn auf Veranstaltungen von „Zentrum Automobil“ Einwanderer als „Lumpenpack“ und „Schmarotzer“ bezeichnet werden oder wenn im Umfeld von „Zentrum Automobil“ türkischstämmige Kolleginnen und Kollegen als „Kümmelhändler“ oder „Kameltreiber“ verunglimpft werden, fordern wir eine unmissverständliche Distanzierung und Entschuldigung.

(3) Personen, die durch die Verwendung von Hakenkreuzen oder anderen Nazi-Symbolen zu verstehen geben, dass sie noch immer offene Sympathien für das nationalsozialistische Regime und deren Verbrechen hegen, dürfen in unserer Arbeitnehmervertretung keinen Platz haben. Wir erwarten von Mitgliedern des Betriebsrates – und solchen, die es werden wollen – eine klare Distanzierung von solchem Gedankengut und solchen Handlungen.

(4) Wir fühlen mit den Familien und Freunden der ermordeten Opfer der Terrorgruppe „NSU“ und hoffen, dass die Täter juristisch vollständig zur Rechenschaft gezogen werden. Angesichts der Morde und Verbrechen des „NSU“ halten wir es für beschämend, wenn im Zusammenhang mit dem Betriebsrat im Werk Untertürkheim über mögliche Kontakte zum Umfeld des „NSU“ berichtet wird und kritisieren die Art und Weise, wie Einzelne als Zeugen gegenüber dem NSU-Untersuchungsausschuss des Baden-Württembergischen Landtages aufgetreten sind.

(5) Unsere Betriebsratsarbeit dient den Belangen und Interessen unserer Belegschaft. Dafür ist eine kons­truktive Zusammenarbeit aller Betriebsräte notwendig. Wir kritisieren alle Versuche, die Arbeit des Betriebsrates am Standort Untertürkheim für außerbetriebliche, fremde politische Zwecke zu missbrauchen. Weder das Werk Untertürkheim noch der Betriebsrat dürfen zum Spielball von rechtsextremen Politikern werden, die meinen, auf dem Rücken der Belegschaft einen „außerparlamentarischen Widerstand“ organisieren oder eine „nationale und soziale Befreiungsfront“ aufbauen zu können.

Wir werden auf Basis dieser Grundsätze und Bewertungen sowohl unsere Belegschaft informieren als auch auf Anfragen der öffentlichen Medien zu den Vorgängen und Vorwürfen Stellung nehmen.

In den letzten Monaten gab es in vielen Medien Artikel und Beiträge zu den Vorhaben der rechtsex­tremen Szene, in den Betrieben rechte Betriebsratslisten zu verankern. Das Vorzeigeprojekt der Rechten ist die Betriebsratsliste „Zentrum“ mit dem Ex-Gitarristen der Rechtsrockband „Noie Werte“, O. Hilburger, als führenden Kopf, die seit acht Jahren im Betriebsrat von Daimler Untertürkheim vertreten sind, seit 2010 mit zwei und seit 2014 mit vier Mandaten. Zur Betriebsratswahl 2018 treten sie mit einer Liste von 187 Kandidaten (181 Männer, sechs Frauen) an. Das zeigt, dass sie sich in den acht Jahren relativ stark verankern konnten, was u. a. damit zusammenhängt, dass die IG Metall nicht aktiv gegen das Zentrum agiert hat. Auch ist es dem Zentrum gelungen, in der Daimler-Zentrale in Stuttgart eine Betriebsrats-Liste mit drei Kandidaten einzureichen, bei Daimler in Sindelfingen haben sie sechs und bei Daimler Rastatt zehn Kandidaten.

Auch in anderen Betrieben wie Opel Rüsselsheim, BMW Leipzig, Stihl Waiblingen und AMG Affalterbach sind sie vertreten. Klar zu erkennen ist der Schwerpunkt Daimler und andere Automobilfirmen sowie die Region Stuttgart. Ihre Vernetzungen in Stuttgart konnten sie nutzen, um in weiteren Betrieben in der Region Fuß zu fassen. Vergleicht man die Anzahl der Betriebe mit rechten Betriebsratslisten mit der Anzahl der vielen tausende Betrieben, in denen Betriebsratswahlen anstehen, ist dies noch relativ überschaubar und zeigt die Schwierigkeiten der Rechten, in neuen Betrieben Fuß zu fassen. Trotzdem ist natürlich jeder einzelne Betrieb mit rechter Liste einer zu viel.

Umso wichtiger ist, dass in dem Betrieb mit der größten Verankerung der Gegenwind gegen die Rechten zugenommen hat. So werden Zentrums-Plakate mit antifaschistischen Aufklebern wie z. B. „Gemeinsam gegen Nazis und AusländerHass“ der IGM-Jugend beklebt. Vor den Werkstoren wurden „Spicker“ der Initiative Klassenkampf verteilt, in denen die Argumente der Rechten fundiert auseinandergenommen wurden. Und an den Werkstoren finden sich Aufkleber mit Karikaturen der Initiative Klassenkampf. Wie „Zentrum: Heiße Luft, Lüge & Größenwahn“ mit O. Hilburger als Hampelmann von Jürgen Elsäßer sowie O. Hilburger mit Hakenkreuz und einer Wirbelsäule aus Geldstücken und dem Text: „Kapitalisten würden Zentrum wählen“. Die „Alternative“(linke Betriebszeitung) enthüllt die Vernetzungen mit der rechtsextremen Szene und IG-Metall-Vertrauensleute beziehen darin klar Stellung gegen die Politik der Zentrums-Liste. Der Betriebsrat vom Werk Untertürkheim hat in seiner Sitzung am 20. Februar 2018 eine Erklärung beschlossen, in der er gegen rechtsradikales und neonazistisches Gedankengut eindeutig Stellung bezieht. Eine direkte Auseinandersetzung mit den angesprochenen Betriebsräten war in der Sitzung nicht möglich, da sämtliche Betriebsräte der Liste „Zentrum“ einschließlich eventueller Ersatzmitglieder der Sitzung fern blieben, ebenso die „unabhängigen“ Betriebsräte, was zeigt, wohin diese politisch mittlerweile tendieren. Alle anwesenden Betriebsräte einschließlich des Vertreters der „Christlichen Gewerkschaft Metall“ stimmten für die Erklärung.

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"Gemeinsam gegen Rechts", UZ vom 2. März 2018



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