Als der damalige Kriegsminister Peter Struck (SPD) nach einem Jahr Afghanistankrieg im Dezember 2002 verkündete, „unsere“ Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt, war das auch eine Trotzreaktion: Vor 18 Jahren gab es selbst in der SPD und bei Grünen noch verfassungs- und völkerrechtliche Bedenkenträger. Aber schon die Bombardierung Serbiens und Montenegros 1999 als auch der Einfall in Afghanistan 2001 waren durch die Hilfskonstruktion „Bündnisverpflichtung“ gerechtfertigt worden.
Damit war der rückstandslosen Aushöhlung des Begriffs „Verteidigung“, an der sich auch das Bundesverfassungsgericht regelmäßig beteiligt, die Tür geöffnet. „Verteidigung“ ist inzwischen alles, wo deutsche Soldaten killen, sprengen oder bombardieren und kann an jedem Ort der Erde stattfinden, wahrscheinlich auch an jedem Punkt des Weltalls.
Struck hat die völlige Entleerung und Entgrenzung von „Verteidigung“ damals angekündigt: „Diese moderne Sicherheitspolitik lässt sich geographisch nicht eingrenzen. Denn die Risiken und Bedrohungen in der heutigen Welt kennen keine Grenzen.“ 2020 hat sich das deutsche Verteidigungsgebiet laut Außenminister Heiko Maas (SPD) auf Vorderasien, den Irak, Libyen und den Sahel ausgedehnt. Seine Kabinettskollegin, Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, hatte schon 2019 Nordsyrien und den Indo-Pazifik hinzugefügt. Zum Sahel verkündete Frau Kramp-Karrenbauer am 29. Dezember 2019, das dortige Bundeswehrmandat müsse „robuster“ werden.
Nun ist es soweit. Am Mittwoch beschloss das Kabinett, dass Bundeswehrsoldaten künftig in fünf Staaten südlich der Sahara eingesetzt werden sollen. Das 2013 erstmals vom Bundestag erteilte Mandat der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali soll auf Mauretanien, Niger, Burkina Faso und Tschad ausgeweitet werden, die Zahl der deutschen Ausbilder von 350 auf 450 erhöht werden. Die Einsatzkosten bis Ende Mai 2021 werden mit 90 Millionen Euro angegeben. Die fünf Staaten waren vor allem von Frankreich und der Bundesrepublik 2017 dazu gedrängt worden, eine gemeinsame Truppe aufzustellen, an deren Finanzierung sich beide Länder beteiligen wollten. Das erbrachte bislang mehr kriegerisches Chaos.
Zugleich beschloss das Kabinett am Mittwoch, die deutsche Beteiligung an der UN-Mission Minusma mit 1.100 Soldaten fortzusetzen. Sie sind in Goa im Norden Malis und in der Hauptstadt Nigers, Niamey, auf einem Lufttransportstützpunkt eingesetzt. In Mali sind damit mehr deutsche Soldaten stationiert als in Afghanistan. Und die nächste Kriegsausweitung ist bereits in Vorbereitung: Am 27. März kündigte eine Gruppe von elf europäischen Staaten, darunter die Bundesrepublik, an, sie wolle künftig „Spezialkräfte“ in die Sahelzone entsenden. Unter dem Namen „Takuba“ (Schwert) sollen mehrere hundert Soldaten ab Sommer 2020 unter französischem Kommando im Grenzgebiet zwischen Mali und Niger aktiv werden. Vorerst, so hieß es, beteiligt sich die Bundesrepublik nicht mit Personal, das hieße, mit Soldaten das Kommandos Spezialkräfte (KSK), sondern nur politisch. Dabei wird es kaum bleiben.
Denn: Seit neun Jahren versucht die EU, die Folgen des Krieges zum Sturz Muammar al-Gaddafis in Libyen einzugrenzen – mit Krieg. Die Folge: Alle Staaten des Sahel sind faktisch zusammengebrochen. Die Mehrheit der Bevölkerung gibt die Schuld den Europäern.
Fazit: Zum imperialistischen Krieg gehören hohle Rechtfertigungen sowie politische Blindheit und Dummheit. Als Kramp-Karrenbauer im Dezember 2019 „robuster“ werden wollte, sprach die Stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Sevim Dagdelen, aus, um was es geht: „dem verlorenen Krieg Frankreichs in der Sahelzone beizuspringen“. Es handele sich um „gemeingefährlichen Wahnsinn“. Der in der Region heute fast täglich Dutzende Tote kostet – für Migrantenabwehr und Rohstoffe.