Gilt nach der Münchner Sicherheitskonferenz: Im Westen nichts Neues? Es scheint so. Frank-Walter Steinmeier, Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer boten die bundesdeutsch übliche Mischung aus geheucheltem Gejammer über angebliche Schwäche des Westens und militaristischem Größenwahn. Die Verteidigungsministerin will jetzt die Marine in die Straße von Hormus schicken.
US-Außenminister Mike Pompeo hielt ebenso rituell eine der grotesken Reden, die seit Trump Gewohnheit in Washington wurden: Es hat demnach dafür gesorgt, dass die NATO-Rüstungsausgaben um 400 Milliarden US-Dollar gestiegen sind und die „Glaubwürdigkeit der Rüstungskontrolle“ durch Kündigung des INF-Vertrages wiederhergestellt wurde. Berichte über den Tod des Westens seien „stark übertrieben“: „Wir gewinnen. Und wir tun das gemeinsam.“ Die FAZ schrieb nach dieser Rede despektierlich von „Geisterfahrer“.
Was sich tatsächlich auf dem Gebiet von Rüstung und Krieg tut, wird in München nicht vor Medien besprochen. Was sich tatsächlich tut, dafür drei Beispiele aus der Konferenzwoche:
Erstens legte Donald Trump am Dienstag seinen Budgetentwurf für das Fiskaljahr 2021 vor, das am 1. Oktober beginnt. Er sieht mehr Geld fürs Militär und weniger Sozialleistungen vor. Höhe insgesamt: 4,8 Billionen Dollar, davon 740,5 Milliarden für Militärausgaben, eine Steigerung um 0,3 Prozent – neuer Rekord. Zwei Millionen Dollar sollen in den Bau der Grenzmauer zu Mexiko fließen.
Zweitens hat Trump nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani am 3. Januar NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg telefonisch angewiesen, der Pakt habe im Irak die gesamte Ausbildung von Soldaten zu übernehmen. Nach dem Mord per Drohne sollen die Verbündeten die heißen Kartoffeln aus dem irakischen Feuer holen. Stoltenberg meldete am Dienstag Vollzug. So schnell spuren die Westeuropäer, wenn das Weiße Haus die Stirn runzelt. Von wegen kein Verlass auf die USA. Das gilt auch für die SPD. Die war bisher strikt gegen die „Ausbildungsmission“ unter NATO-Führung und stellte den Sinn des Mandats insgesamt in Frage. Nun zeichnet sich ab: Auch die SPD wird Trumps Wünschen folgen.
Drittens wurde Stoltenberg am Donnerstag letzter Woche in den Medien mit dem Satz zitiert: „Wir sind sehr besorgt über die neuen russischen Waffensysteme.“ Man werde darüber zu sprechen haben, wie eine „glaubwürdige Verteidigung“ aufrechterhalten werden könne.
Das hörte sich nach der Bekanntgabe Russlands, es habe Ende 2019 neuartige Hyperschallwaffen in Dienst gestellt, anders an: Alles nicht so wichtig. Nun zitierte die FAZ einen NATO-Beamten, der zum russischen Gleitflugkörper „Awangard“ sagte: Sobald sich der Gleiter von der Trägerrakete trenne, „wissen wir erst wieder von ihm, wenn es eine Detonation gegeben“ hat. Das ist so etwas wie ein Offenbarungseid: Die Raketenabwehr des Westens ist offenbar zu einem großen Teil Schrott.
Erfreulich ist das nicht, weil das auch Ausgangspunkt eines neuen Wettrüstens sein kann. Allerdings hat Russland den USA Inspektionen der neuen Waffensysteme angeboten und fordert dazu auf, den New-Start-Vertrag zur Begrenzung strategischer Angriffswaffen, der 2021 ausläuft, zu verlängern. Trump ließ seine Haltung bisher offen.
Fazit: Der Westen wirft immer größere Summen fürs Militär zum Fenster hinaus, verteilt die Kosten für die laufenden Kriege um, hat es aber mit einem gravierenden waffentechnischen Rückstand gegenüber Russland zu tun.
Das „Gleichgewicht des Schreckens“ sei fraglich geworden, fasste der NATO-Beamte laut FAZ zusammen. Das ist der Abstieg, von dem Leute wie Steinmeier, Maas oder Kramp-Karrenbauer reden. Diese Gelegenheit für Abrüstungsverhandlungen zu nutzen, wie von Moskau vorgeschlagen, spielte in München öffentlich keine Rolle, schon gar nicht bei ihnen. Die Herrschaften betreiben ja „Defender 2020“, es sind politische Geisterfahrer.