Fachleute kritisieren Pflegepersonal-Stärkungsgesetz als „Stückwerk“

Gegenwind für Spahn

Von Markus Bernhardt

Die Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reißt nicht ab. Erst am vergangenen Freitag  hatte der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD das sogenannte Pflegepersonal-Stärkungsgesetz beschlossen, doch die Kritik an dem Gesetz aus dem Hause Spahn mehrt sich schon jetzt.

Als „Stückwerk“ bezeichnete der Paritätische Wohlfahrtsverband das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. Trotz einzelner gut gemeinter Maßnahmen, beispielsweise für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder betriebliche Gesundheitsvorsorge für Beschäftigte in Pflegeheimen, mangele es nach wie vor an einem Gesamtkonzept und einem Plan zur Finanzierung, wie der Notstand in der Pflege wirksam behoben werden könne. Mittelfristig seien 100000 zusätzliche Pflegekräfte erforderlich, so der Verband. Darüber hinaus müssten die finanziellen Kosten für Pflegebedürftige begrenzt und insbesondere pflegende Angehörige deutlich stärker entlastet und auch finanziell besser abgesichert werden. „Unterm Strich bleibt dieses Gesetz Stückwerk. Auch die Ankündigung von 13000 neuen Stellen bleibt Symbolpolitik, wenn nicht rasch weitere Schritte folgen. Der Pflegenotstand ist inzwischen zur Dauerkrise geworden, unter der alle Beteiligten leiden: die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sowie die Pflegekräfte. Was es braucht, ist endlich ein beherztes Gesamtkonzept“, forderte Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes.

Ähnlich kritisch äußerte sich der Fachbereich Gesundheit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. „Es ist gut, dass sich die Politik des Pflegenotstands in den Krankenhäusern endlich annimmt“, kommentierte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand, das neue Gesetz, „doch eine bedarfsgerechte Versorgung wird mit diesem Gesetz nicht erreicht“. Es fehle der Auftrag des Gesetzgebers zur Entwicklung eines Instruments zur Personalbemessung, mit dem der tatsächliche Personalbedarf ermittelt werden könne. „Maßstab muss eine gute und sichere Patientenversorgung und die dringend nötige Entlastung der Beschäftigten sein“, so Bühler. „Das Gesetz erreicht beides nicht. Es bleibt Stückwerk.“ Der Bundesrat sei nunmehr gefordert, auf Nachbesserungen zu dringen und die Entwicklung eines Personalbemessungsinstruments zu verlangen.

Bei einer ver.di-Tagung von 270 Betriebs- und Personalräten sowie Mitarbeitervertretern von Krankenhäusern am vergangenen Donnerstag und Freitag in Berlin sei deutlich geworden, dass auch die betrieblichen Interessenvertretungen das Gesetz ausgesprochen kritisch sähen, stellte die Gewerkschafterin klar. „Der wachsende Fachkräftebedarf wird nur gedeckt werden können, wenn sich die Arbeitsbedingungen massiv verbessern“, betonte Bühler auf der Tagung. „Dann könnten auch die vielen Pflegekräfte zurückgewonnen werden, die aus dem Beruf geflohen sind oder ihre Arbeitszeit individuell reduziert haben, weil sie die Belastung nicht mehr aushalten.“

Der Paritätische Gesamtverband warb unterdessen dafür, das Thema Pflegefinanzierung „zwingend auf die Agenda“ zu setzen. „Sichergestellt werden muss vor allem, dass es am Ende nicht die Pflegebedürftigen sind, die durch zusätzliche Kosten noch stärker belastet werden. Die Eigenanteile für Pflegebedürftige müssen begrenzt werden, die Pflegekassen sollten 85 Prozent der pflegebedingten Kosten übernehmen“, forderte der Verbandsvorsitzende Rosenbrock.

Tatsächlich dürften die Auseinandersetzungen um eine ordentliche Versorgung von Patientinnen und Patienten und zu pflegenden Menschen ebenso weitergehen wie die um die Entlastung und höhere Entlohnung des medizinischen Fachpersonals.

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"Gegenwind für Spahn", UZ vom 16. November 2018



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