Ein zentraler Bestandteil der bürgerlichen Parlamentsinszenierung ist die Debatte und Abstimmung des Haushaltsentwurfes. Hier können Regierungs- und „Oppositions“-Parteien noch einmal ihre Großerzählungen präsentieren. Sie lauten in den USA gegenwärtig in etwa: Die Demokraten sind eine weltoffene, liberale, den Menschenrechten wie den LGBT-Bewegungen (Lesben, Gay, Bisexuell, Transgender) zugewandte Partei. Die Trump-Regierung reklamiert dagegen, die Interessen der Globalisierungsverlierer beispielsweise durch einen Wirtschaftskrieg gegen die VR China oder einer Mauer gegen die Migration aus dem Süden vertreten zu wollen. Inwieweit die materiellen Realitäten diese Erzählungen stützen, ist eine andere Frage. Jedenfalls schlägt sich die Polit-PR in der Unfähigkeit, besser gesagt, dem Unwillen nieder, einen gültigen Haushalt für das Fiskaljahr 2019 zu verabschieden.
Dieses medial prominent plazierte Gezerre um das mit 5,6 Milliarden Dollar angesetzte Budget für den Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, eines der zentralen Trumpschen Wahlversprechen, hatte schon im Januar 2018 zu einem dreitägigen „Shutdown“, zu einem Stillstand der Regierungs- und Verwaltungsaktivitäten geführt. Dies war gewissermaßen die Ouvertüre zu den nun, ab dem 22. Dezember 2018, mit einem partiellen „Shutdown“ fortgeführten Haushaltskämpfen. Betroffen sind große Teile des Regierungsapparates. Vor allem die Teile der Administration, die für den Repressions- und Funktionsapparat des Imperiums nicht von unmittelbar funktionaler Bedeutung sind, wie Landwirtschaft, Transport, Handel und Justiz. Geschlossen sind ebenfalls kulturelle Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken und nationale Einrichtungen. Von den vom Shutdown betroffenen etwa 800 000 Regierungsangestellten befinden sich etwa 400 000 im Zwangsurlaub, der Rest darf freundlicherweise weiterarbeiten, aber ohne Gehalt. Für mehrere Ministerien ist eine Haushaltssperre erlassen.
Die Zuspitzung zum Ende des Jahres ist kein Zufall. Trumps Kalkül dürfte sein, seinen Anhängern die am 3. Januar 2019 neu eingeschworene demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus als Verhinderer des Mauerbaus zu präsentieren. Deren Sprecherin, Nancy Pelosi, dürfte ebenso darauf setzen. Allerdings mit den entgegengesetzten Unterstützungserwartungen. Es wird sich in den nächsten Tagen zeigen, wessen Wette aufgeht. Angesichts der zunehmend verbreiteten nationalistisch-fremdenfeindlichen Stimmungen könnte der Präsident durchaus nicht die schlechteren Karten haben.
An markigen Worten hat es jedenfalls nicht gefehlt. Donald Trump hat verkündet, keinen Haushalt unterschreiben zu wollen, der kein Geld für den Mauerbau frei mache. „Wir bauen keine Mauer“, hatte sich Pelosi dagegen positioniert. Trump, ganz in Pokerpose, meinte, er könne den Shutdown noch lange aushalten, „Monate oder sogar Jahre“. Außerdem könne er den Mauerbau auch per Notstandsverordnung und mit Mitteln des Pentagon durchsetzen.
Die Zeiten sind lange vorbei, seit Nato-Politiker in Berlin Krokodilstränen über die Unmenschlichkeit der Mauer vergossen. Heute sind Mauern und Zäune im „freien Westen“ populär. Und natürlich waren auch demokratische US-Präsidenten Befürworter von Grenzzäunen. Donald Trump zeigt genüsslich die Fernsehansprachen, in denen sowohl Bill Clinton als auch Barack Obama, beide nahezu wortgleich, exakt die gleiche Argumentation vertraten wie er selbst. Und faktisch steht ein Grenzzaun schon längst auf 930 der 3 145 Kilometer langen Grenze zu Mexiko.
In dieser gegenseitigen Blockadepolitik erscheint ein Gegensatz, den es nicht gibt. Beide Parteien sind gleichermaßen neoliberal und interventionistisch. Der demokratische Friedensnobelpreisträger, Obama, hat mehr Kriege geführt und dafür mehr Schulden gemacht als je ein Präsident vor ihm. Faktisch geht es nicht um 5,7 Mrd. Dollar, sondern um einen 4,4 Billionen-Dollar-Haushalt. Rund ein Viertel geht direkt oder indirekt für die gewaltige US-Kriegs- und Repressionsmaschine drauf. Hier geht es in der Tat um Entscheidungen von gewaltiger Tragweite. Donald Trump hatte versprochen, die verfallende Infrastruktur des Landes wieder aufzubauen, Kriege zu beenden, sich mit Russland zu verständigen, Jobs zurückzuholen. Umgesetzt ist davon wenig bis nichts. Schon die Ankündigung hatte ein Wutgeheul des „tiefen Staates“, der demokratischen wie republikanischen Interventionisten und der „liberalen“ Medien ausgelöst. Für eine Politik im Interesse der arbeitenden Menschen hätte es reichlich Themen in der Budgetdebatte gegeben. Stattdessen ist der Kriegskurs gegen die äußeren und inneren Feinde und Gegner von beiden Parteien gleichermaßen vorangetrieben worden. Das Kesseltreiben gegen Russland wurde mit dem gegen China ergänzt. Natotruppen stehen an den Grenzen der neuen, alten Feinde. Alte Rüstungsbegrenzungsabkommen wurden aufgekündigt, die neue Hochrüstung geht mit beispiellosen Tempo voran. Das taktische Gezeter der Kartellparteien soll ihre große Einigkeit bei diesem Crashkurs vergessen machen.