Am 4. und 5. Mai 1968 gründeten 214 Schülerinnen, Auszubildende und junge Arbeiter die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ). Zum 150. Geburtstag von Karl Marx meldete sich die revolutionäre Arbeiterjugendbewegung in der BRD zurück: „Gemeinsam sind wir unaufhaltsam!“
Um das Magazin „Elan“, im SDS, vor allem aber an Schulen und in Betrieben wurde der Aufruf zur Gründung einer sozialistischen Jugendorganisation seit Beginn des Jahres diskutiert. Die arbeitende und lernende Jugend, die neben den Studierenden in den vorangegangenen Jahren den Kampf gegen die Kapitalisten, ihre Große Koalition und deren reaktionäre Politik aufgenommen hatte, sollte sich wieder zusammenschließen können – in einer Organisation, die konsequent die Klasseninteressen der Jugend vertrat und einen Ausweg aus dem kapitalistischen System wies. Im Gründungsaufruf der SDAJ hieß es:
„Wir werden das, was uns trennt, im Interesse der gemeinsamen Sache zurückstellen, weil unsere Uneinigkeit nur den Mächtigen nützt. Unser spontaner Kampf gegen das Unrecht wird von nun an ein organisierter Kampf sein.“
Aus diesem Anlass wollen wir einen Blick auf die Solidaritätsarbeit der SDAJ werfen, die von Anfang an zentraler Bestandteil ihrer Aktivitäten war.
Gegen den Vietnamkrieg
Seit Mitte der 1960er-Jahre bekam die antiimperialistische Bewegung Auftrieb. Ausgehend von den Universitäten in den USA, entwickelte sich die Friedensbewegung gegen den Krieg in Vietnam. Die SDAJ war von Beginn an dabei.
Infolge des Zweiten Weltkriegs wurde das imperialistische Kolonialreich erschüttert – die nationalen Befreiungsbewegungen erzielten wichtige Erfolge. Vietnam konnte sich unter der Führung Ho Chi Minhs vom französischen Imperialismus befreien. Allerdings wurde das Land geteilt und im Süden ein reaktionäres Marionettenregime eingesetzt. Schnell entwickelte sich ein Bürgerkrieg, der den USA als Vorwand diente, das Land zu besetzen und mit einem grausamen Krieg zu überziehen. Mit Napalm und Flächenbombardierungen fügten sie den Menschen schweren Schaden zu. Bis heute leidet die Bevölkerung an den Folgen der Dioxinverseuchung. Im Krieg gegen die Guerilla hatten die USA das Entlaubungsmittel Agent Orange versprüht. Bis heute weigern sich die US-Regierung und die Herstellerfirma, Schadenersatz zu leisten.
Im Gründungsjahr der SDAJ übernahm die Volksbefreiungsarmee (FNL) mit der sogenannten Tet-Offensive die Initiative. Damit konnten die USA zur Anerkennung der FNL gezwungen werden. Allerdings dauerte es noch fünf Jahre, bis es zu einem Waffenstillstand kam. In dieser Zeit versuchten die USA, durch Ausweitung des Krieges 1970 auf Kambodscha und – ein Jahr später – auf Laos und mit der Zerstörung Nordvietnams den Kampf des Volkes zu unterdrücken. Sie hatten keinen Erfolg – 1975 mussten sie sich endgültig aus Vietnam zurückziehen. Diese Niederlage zeigte aller Welt, dass der Imperialismus zu besiegen war, und wurde wichtiges Beispiel für die antiimperialistische Bewegung.
Nicht nur auf den Demonstrationen war die SDAJ vertreten. In der „Hilfsaktion Vietnam“ sammelte sie bis Mitte der 1970er-Jahre über vier Millionen Mark – heute wären das zwei Millionen Euro. Gleichzeitig wurde die Rolle der Bundesregierung angeprangert. Sie bot damals lächerliche 30 Millionen Mark an humanitärer Hilfe an. Im Laufe der US-Aggression hatte sie allerdings über sechs Milliarden Mark an die USA gezahlt.
El pueblo unido
1970 siegte bei den Wahlen in Chile die Unidad Popular unter Salvador Allende. Mit einer Politik im Sinne des Volkes wurden die Lebensbedingungen der einfachen Menschen verbessert – sie übernahmen die politische Initiative und kämpften für ihre Rechte. An der Seite des Volkes standen der Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, der Sänger Victor Jara und alle Demokraten der ganzen Welt.
Im selben Jahr wurden die Kupferminen nationalisiert. Vor allem US-Konzerne verloren damit eine Möglichkeit, sich den Reichtum der Chilenen anzueignen. Medienkampagnen wurden gestartet, die CIA unterstützte die Reaktionäre im Land mit Millionen, künstlich wurde der Weltmarktpreis für Kupfer gedrückt. Fast einen Monat lang wurde ein Streik gegen die Regierung finanziert. Vor allem Lkw-Fahrer wurden bestochen: Sie erhielten für jeden Tag, an dem sie nicht fuhren, einen Monatslohn bezahlt.
Als all dies nicht half, die Regierung zu stürzen, griff der Imperialismus auf sein letztes Mittel zurück: Am 11. September 1973 putschten faschistische Generale unter Augusto Pinochet, Allende kam dabei ums Leben. Die Faschisten errichteten ein Regime, das tausende Menschen ermorden oder verschwinden ließ. Konzentrationslager wurden unter anderem im Stadion in der Hauptstadt Santiago eingerichtet. Folter und politische Verfolgung waren alltäglich.
In der BRD wurde der Putsch in der bürgerlichen Presse von „Welt“ über „FAZ“ bis hin zu „Bild“ einhellig begrüßt. Der CSU-Politiker und Pinochet-Fan Franz Josef Strauß etwa schrieb im „Bayernkurier“: „Angesichts des Chaos, das in Chile geherrscht hat, erhält das Wort Ordnung für die Chilenen plötzlich wieder einen süßen Klang.“ CDU-Generalsekretär Bruno Heck lobte nach seiner Rückkehr aus Chile im Oktober in der „Süddeutschen Zeitung“: „Das Leben im Stadion ist bei sonnigem Wetter recht angenehm.“
Die SDAJ klärte die arbeitende und lernende Jugend auf über den faschistischen Putsch und seine Helfershelfer in Deutschland. Sie war aktiver Teil der Solidaritätsbewegung und half den chilenischen Genossen, die fliehen konnten.
Nelkenrevolution
Am 25. April 1974 wurde das Lied „Grandôla, vila morena“ der Anfang vom Ende der längsten faschistischen Diktatur. Das verabredete Zeichen aus dem Radio rief zur „Nelkenrevolution“ in Portugal auf. Die Soldaten waren es nach jahrelangem Kolonialkrieg müde geworden, für die Herrschenden zu sterben; das einfache Volk wollte sich aus seiner Unterdrückung befreien.
Trotz grausamster Verfolgung durch faschistische Schergen leistete die Kommunistische Partei (PCP) enormen Widerstand und wurde so zum Motor der Revolution. Die Parteizeitung „Avante!“ erschien auch während der Illegalität durchgehend. Es gelang den Genossen, den Parteivorsitzenden Álvaro Cunhal aus dem Kerker zu befreien. Er sollte gemeinsam mit den demokratischen Offizieren zu einem Aushängeschild der Revolution werden, die schnell über die Beseitigung der faschistischen Regierung hinauswuchs. Es sollten die ökonomischen Grundlagen des Faschismus beseitigt werden.
Nicht nur die ehemaligen Machthaber liefen dagegen Sturm. Auch die Herrschenden in der BRD bekamen es mit der Angst zu tun.
Die Nelkenrevolution und damit die Möglichkeit eines sozialistischen Aufbruchs in Westeuropa beflügelte die fortschrittlichen Kräfte. Die SDAJ feierte einen Monat nach der Befreiung Portugals die Gründung ihrer 500. Gruppe. In nur sechs Jahren hatte sich die Arbeiterjugend damit wieder zu einer schlagkräftigen Organisation zusammengeschlossen.
Aufbau in Nicaragua
Von Anfang an verfolgte die SDAJ mit großer Sympathie die Revolution in Nicaragua, die 1979 den Diktator Anastasio Somoza stürzte. Dieser hatte das Land mit grausamem Terror fast 50 Jahre lang regiert. Kaum hatte die Sandinistische Revolution gesiegt, rührte sich mithilfe der USA die Konterrevolution. Die von der neuen Regierung eingeleitete Landreform, die Alphabetisierungskampagne, die Enteignung der Konzerne und der Kampf gegen den Hunger schürten die Angst, es könne ein zweites Kuba entstehen – und so wurden mit Unterstützung der USA Terrorbanden mit Waffen ausgerüstet und nach Nicaragua geschickt. Dagegen gab es eine weltweite Solidaritätsbewegung, an der sich auch die SDAJ beteiligte. Sie schickte 1984 die Brigade „Carlos Fonseca“ nach Managua, um für die sandinistische Jugend eine Druckerei zu bauen.
An dieser Brigade beteiligte sich auch Berndt Koberstein, der seit 1975 als SDAJler aktiv war. Als Berndt 1986 erneut in Nicaragua war, um im Auftrag der Stadt Freiburg eine Wasserleitung für die Stadt Wiwili zu bauen, wurde er am 28. Juli, wenige Tage vor seinem 30. Geburtstag, ermordet. Insgesamt kostete der Contrakrieg mehr als 10.000 Menschen das Leben.
Schluss mit der Apartheid
Seit den 1950er-Jahren wurden in Südafrika mit brutaler Rassentrennung alle Versuche unterdruückt, die Lebensbedingungen für die schwarze Bevölkerung zu verbessern.
Die illegale Kommunistische Partei arbeitete eng mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) und den Gewerkschaften zusammen. Gemeinsam wurden Demonstrationen und Streiks für die Rechte der schwarzen Bevölkerungsmehrheit durchgeführt. Nach einer Massendemonstration, bei der die Polizei ein Blutbad anrichtete, wurde auch der ANC verboten.
Unter der Führung von Nelson Mandela wurde gemeinsam mit der KP ein militärischer Arm des ANC gegründet, der dessen politische Aktionen bewaffnet unterstützte. Neben Sabotageakten vor allem gegen die repressiven Organe des Apartheidstaates setzte der ANC weiter auf Massenaktionen. Diese wurden regelmäßig von der Polizei zusammengeschossen.
Nelson Mandela, zu einem der wichtigsten Führer des ANC geworden, saß seit 1964 im Gefängnis. Es entwickelte sich eine internationale Solidaritätsbewegung, die seine Freilassung und das Ende des Apartheidregimes forderte. Weltweit wurden Waren aus Südafrika boykottiert. Während der Imperialismus die Rassentrennung unterstützte – die USA stuften den ANC bis 1988 als terroristische Organisation ein –, wurde die Befreiungsbewegung von den sozialistischen Ländern unterstützt. 1985 lehnte Mandela eine Freilassung unter der Bedingung, auf den bewaffneten Kampf zu verzichten, ab. Erst 1990 wurde er aus der Haft entlassen und der ANC sowie die KP wurden wieder zugelassen. Vier Jahre später gewann der ANC die ersten freien Wahlen. Seitdem regiert in Südafrika ein Bündnis aus ANC, Gewerkschaft und Kommunistischer Partei. Mandela wurde erster frei gewählter Präsident.
1986 bereisten „Elan“-Redakteurinnen – als Touristen getarnt – Südafrika und berichteten vom Kampf des ANC:
„Aber beim ersten Streifzug durch die Stadt entdecken wir die ersten offenen Zeichen der Rassentrennung: Schilder, die anzeigen, welche Buslinien, welche Toiletten, welche Züge, welche Bahnhöfe Schwarze nicht benutzen dürfen. Einrichtungen für Schwarze sind schäbig und verwahrlost.
Abends sind die Städte menschenleer. Denn die Hautfarbe eines Menschen entscheidet, wo jemand wohnen darf. Schwarze, Farbige und Asiaten, die vier Fünftel der Bevölkerung ausmachen, wurden aus den Städten in Ghettos, sogenannte Townships, vertrieben. In den Townships bildet sich der Widerstand gegen die Rassentrennung. Allein in den Wochen unseres Aufenthalts wurden dort über 100 Menschen von der Rassistenpolizei und Armee umgebracht. Wegen der Nachrichtensperre drang kaum etwas davon in die Städte.
‚Seit die Regierung Ende August 1985 den Ausnahmezustand verhängt hat, wurden von der Armee und Sicherheitspolizei alle Townships umzingelt‘, erzählt uns eine Krankenschwester. ‚Sie verhaften willkürlich Menschen, und wenn sich jemand wehrt, wird geschossen. Hier ist ein Menschenleben nichts wert.‘
Als Ivan Toms (weißer Arzt in einem Township) sich von uns verabschiedet, meint er: ‚Was wir von euch aus der Bundesrepublik wissen, ist nicht viel. Nur, dass die letzten Hubschrauber, die die Regierung bekommen hat und bald die Townships bedrohen werden, aus eurem Land sind. Genauso wie die Daimler-Benz-Maschinen draußen vor dem Camp. Eure Anti-Apartheid-Bewegung ist deshalb sehr wichtig für uns.‘“
Cuba Sí – Yankee No
Die Solidarität mit dem sozialistischen Kuba war der SDAJ schon immer eine Herzenssache. Zahlreiche Genossinnen und Genossen halfen tatkräftig in internationalen Brigaden mit.
Schon 1972 baute die SDAJ im Rahmen einer WBDJ-Brigade mit an einer neuen Schule. In den folgenden Jahren sollten viele ähnliche Projekte in ganz Lateinamerika folgen. Größtes eigenständiges Projekt der SDAJ war ein Radiosender für die Revolutionäre in El Salvador.
Auch nach dem Zusammenbruch des Sozialismus wurde diese Tradition fortgesetzt. Durch einen Besuch an der Universität in Matanzas während der Weltfestspiele 1997 in Kuba wurde die Idee geboren, dem sozialistischen Land in der „Spezialperiode“ wieder tatkräftig zur Seite zu stehen. Zwei Jahre später bauten Mitglieder der Kommunistischen Jugendverbände aus Portugal (JCP) und Griechenland (KNE) gemeinsam mit den Genossen aus Zypern (EDON) und der SDAJ eine medizinische Ambulanz für die 1.000 Studenten der Universität Matanzas. Über 50.000 US-Dollar wurden dafür gesammelt.
2004 folgte ein weiteres Projekt an der Universität Matanzas. Diesmal beteiligten sich zusätzlich noch Genossen aus der Türkei und Tschechien. Einrichtungen der Hochschule wurden renoviert und es wurde beim Bau einer Kunst- und Musikschule geholfen. Insgesamt nahmen an drei Brigaden fast 150 Jugendliche aus Europa teil. Die SDAJ allein sammelte für dieses Projekt 14.000 US-Dollar und konnte einen Container voller Sachspenden nach Kuba schicken.
In diesem Sommer ist es wieder soweit: Die SDAJ schickt zwei Jugendbrigaden nach Kuba. „Wir wollen erfahren, wie sozialistische Bildung und betriebliche Mitbestimmung aussehen, welche Fortschritte es auf dem Gebiet der Frauenrechte gibt und wie Kultur und Gesundheit organisiert werden, wenn sie keine Ware sind. Kurz, wir wollen den Alltag im Sozialismus kennenlernen. Wir wollen auch erfahren, welche Auswirkungen die Sanktionen und konterrevolutionären Angriffe auf Kuba haben“, beschrieb Tabea Becker, Mitglied der SDAJ-Geschäftsführung, das Projekt im Gespräch mit der UZ. Inzwischen sind die Plätze vergeben, aber noch nicht alle finanziert. Die SDAJ möchte nicht, dass es vom eigenen Geldbeutel abhängt, ob jemand mitfahren kann oder nicht. Die DKP unterstützt die SDAJ deshalb bei der Spendensammlung.
Die SDAJ veranstaltete von 1976 bis 1988 zusammen mit dem Marxistischen Studentenbund Spartakus (MSB) alle zwei Jahre auf dem Gelände der Dortmunder Messe das „Festival der Jugend“. Dort traten zahlreiche – auch international bekannte – Künstler auf. Außerdem Bands, die zuvor bei Rockfestivals der SDAJ-Kreisorganisationen als beste „Newcomer“ ausgewählt worden waren.
Ebenso fanden politische Diskussionsveranstaltungen statt. Viele internationale Gäste besuchten die Festivals. Die Einnahmen der Festivals wurden gespendet: 1988 gingen sie zum Beispiel an den ANC nach Südafrika.
Seit 2008 setzt die SDAJ die Tradition des Festivals im Kölner Jugendpark am Rhein fort.