SPD zieht nach

Gegen Russland

Von Christoph Hentschel

Zum Jahreswechsel verkündete Nils Schmid, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, seine Partei strebe einen neuen Umgang mit Russland an. Er solle nüchtern und kritisch sein. Schmid sagte gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, dass „die alte Russlandpolitik der SPD stark vom Ansatz geprägt war: Führende Politiker setzen sich abends für einige Stunden mit Putin zusammen, danach wird sich schon etwas in die gewünschte Richtung bewegen. Das hat sich aber als Fehleinschätzung erwiesen.“ Diese auf persönlichen Beziehungen basierende Politik gegenüber Moskau, wie sie vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder und den ehemaligen Außenministern Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel vertreten worden sei, solle endgültig der Vergangenheit angehören, so Schmid. Außenminister Heiko Maas (SPD) verfolge seit seinem Amtsantritt eine Außenpolitik, die sich von der seiner Vorgängern absetzt. Maas sei „nicht antirussisch“ eingestellt, aber sei mit dem Dialog mit der russischen Regierung über den „Ukraine-Konflikt“ unzufrieden. Da seien Äußerungen von Gerhard Schröder nicht zielführend, der Verständnis äußerte für die Haltung Russlands in Bezug auf die „Annexion“ der Krim. Maas lege Wert auf eine regelbasierte Ordnung, auf die Wahrung von Menschenrechten, faire Wahlen und Demokratie. „All das verbietet einen verklärenden Blick auf Russland“, sagte Schmid.

Dieser „verklärende Blick auf Russland“, den Maas und Schmid heute hinterfragen, entsprang aus der Einsicht des deutschen Monopolkapitals nach dem verheerenden Scheitern, die (System-)Konkurrenz im Osten durch den faschistischen Vernichtungskrieg zu beseitigen. Der deutsche Imperialismus sah seine Chance, wieder aufzuerstehen, darin, einen gewissen Ausgleich zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion herzustellen. Bei diesem Unterfangen stellten die Christdemokraten den westlichen Pol und die Sozialdemokraten den östlichen. Ausdruck dieser strategischen Orientierung fand sich in der „neuen Ostpolitik“ der sozialliberalen Regierung Willy Brandts und den wirtschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik mit den Staaten des Warschauer Paktes, die nie in Stückzahlen bedeutend, aber politisch wichtig waren. Auch nach dem Ende der Sowjetunion und der Annexion der DDR hielt die SPD an ihrer Rolle fest. Unter der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders brachte es dem deutschen Imperialismus Öl und Gas aus den Weiten Russlands, somit verringerte sich die Abhängigkeit vom US-Imperialismus bei der Energiebeschaffung.

Die Hinwendung nach Osten ging den entscheidenden Fraktionen der Monopolbourgeoisie zu weit und mit der schwarz-gelben Regierung Angela Merkels entledigte man sich Stück für Stück des „verklärenden Blicks auf Russland“. Die Loslösung der Krim von der Ukraine war dann der letzte Vorwand, der Eskalationspolitik der USA gegen Russland zu folgen. Die deutsche Bundesregierung versuchte dabei eine stärkere Rolle zu spielen und eigene Interessen durchzusetzen. Dabei kam die SPD immer mehr in Bedrängnis. Werbetouren durch Talkshows, wie zum Beispiel vom ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten und kurzzeitigen SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck, verpufften.

Die Ostpolitik der SPD hatte nie das Ziel, den Frieden mit der Sowjetunion beziehungsweise Russland zu sichern, sondern folgte den Interessen der deutschen Monopolbourgeoisie. Heute wollen die Sozialdemokraten ihre Ostpolitik entrümpeln. Dabei spielen die Verbindungen von Gerhard Schröder zum russischen Energiekonzern „Gazprom“ in der parteiinternen Diskussion eine wichtige Rolle. Schon vor der Sezession der Krim setzte Frank-Walter Steinmeier auf einen schärferen Kurs gegen Russland. Heute will die SPD inhaltlich nachziehen, um dem deutschen Imperialismus dienlich zu sein.

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"Gegen Russland", UZ vom 11. Januar 2019



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