Das Grundgesetz schützt den Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der „seelischen Erhebung“. Was etwas religiös angestaubt klingt, ist ein Stück Arbeitsschutz gegen das Kapitalinteresse, wöchentlich 7 mal 24 Stunden die Arbeitskraft der Beschäftigten ausbeuten zu dürfen. Auch hier setzen sich erkämpfte und gesetzliche Rechte nicht im Selbstlauf durch. Das, weil die Behörden oft vor Interessen und neoliberalen Scheinargumenten, besonders der Handelskonzerne, kapitulieren. Die zumeist rechtswidrig genehmigten Sonntagsöffnungen im Einzelhandel sollen den Weg freimachen, der zum siebten wöchentlichen Arbeitstag führt.
Fast alle Kommunen sind überschuldet, was exorbitante Rüstungsausgaben, Steuergeschenke und „Entlastungen“ für die Reichen weiter verschärfen werden. Bürgerliche Kommunalpolitiker, von „Sachzwängen“ schwadronierend, sehen ihr Heil auch darin, sich gegenseitig die Einzelhandelskunden abzujagen. Ein Nullsummenspiel, ebenso wie die Behauptung, es würden zusätzliche Umsätze generiert. Der sonntags verausgabte Euro kann kein zweites Mal ausgegeben werden. Kleine Einzelhändler, oft durch örtliche Vereinigungen unter Druck gesetzt, schaufeln hier mit am eigenen Grab. Ohnehin dem Konkurrenzdruck der Konzerne erliegend, treiben Sonntagsöffnungen ihre Grundkosten in die Höhe, ohne mehr Geld in ihre Kassen zu bringen.
Was mit langen Samstagen und Dienstleistungsabenden vor Jahrzehnten begann, ist, je nach Landesrecht, mittlerweile bei bis zu 144 Stunden möglicher Ladenöffnung angekommen. Versprechungen, es bleibe beim „Schlado“ (Sch…-langer-Donnerstag), waren nie ernst gemeint, wie jene, es solle bei drei oder vier verkaufsoffenen Sonntagen bleiben. Mit der Normalität der Öffnungszeiten am Abend nahmen auch die ausgedehnteren Arbeits- und Betriebszeiten anderer Branchen zu.
Das Gros lokaler Behörden handelt hier nach dem Motto „Solange niemand klagt, ist es ja gut“. Die Aufsichtsbehörden schauen weg. Und so sind sonntägliche Shopping-Rummel meist nur durch gerichtliche Klagen verhinderbar. Klageberechtigte sind neben ver.di nur kirchliche Gliederungen und Verbände wie die Katholische Arbeitnehmerbewegung KAB. Das Bundesverfassungs- und das Bundesverwaltungsgericht fällten gute Grundsatzentscheidungen. Das Gejammer der Sonntagsöffner über fehlende Rechtssicherheit zeigt deren Meinung auf, dass Recht nur sei, was ihnen nützt.
Linke, kommunistische, alle fortschrittlichen Kommunalpolitikerinnen und -politiker sollten in Parlamenten und auf Straßen und Plätzen gegen Rechtsbruch agieren, Interessen und Nutznießer benennen. Mit Infoständen im Stadtzentrum am Öffnungssonntag gibt es gute Erfahrungen. Zudem tun sich Möglichkeiten zur Schaffung breiter Bündnisse auf, mit Gewerkschaften, Kirchengliederungen bis hin zu Vereinen. Viele Amateursportvereine könnten dicht machen, wenn ihre Mitglieder sonntags arbeiten müssten. Im Bund und fast allen Ländern gibt es Allianzen für den freien Sonntag.
Sonntagszuschläge bessern das Gehalt von Kolleginnen und Kollegen an Kassen und Theken minimal auf. Vor der Abschaffung der Allgemeinverbindlichkeit der Einzelhandelstarifverträge war kaum jemand darauf angewiesen. Nicht diese Zuschläge, Tariflöhne würden hier nachhaltig helfen.
Es wird versucht, Beschäftigte gegeneinander auszuspielen. Im Gesundheitswesen, bei der Feuerwehr und in anderen Bereichen müsse ja auch sonntags gearbeitet werden, dito in Gastronomie und Kultur. Kranke müssen versorgt werden und Kultur kann oft nur dann stattfinden, wenn alle Beteiligten frei haben. Aber sonntags einkaufen, das braucht niemand wirklich. Auch das Scheinargument Internethandel zieht nicht. ver.di ließ gerichtlich klären, dass bei Amazon sonntags nicht gearbeitet werden darf, nicht mal vor Weihnachten. Internetkonzerne begrüßten Sonntagsöffnungen der Läden, um dann auch ihr Personal am siebten Tag antreten lassen zu dürfen.
Die Rede von der Belebung der Innenstädte ist Kokolores. Eine Innenstadt, die eine halbe Stunde nach Ladenschluss tot ist, gleicht eh nur einem Zombie. Hier öffnet sich ein weites Feld für fortschrittliche Kommunalpolitik mit dem Ziel, aus innerstädtischen Handelsplätzen wieder Innenstädte als Zentren urbanen menschlichen Lebens zu machen.