Über die Rentenkampagne der IG Metall

Gegen die Zockerrente

In der vergangenen Woche wurde dem Bundeskabinett im Zuge der diesjährigen Rentenanpassung ein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vorgelegt. Dass die IG Metall kurz darauf ankündigte, ihre Kampagne „Für einen solidarischen Neuaufbau der Altersversicherung“ fortzusetzen, ist sicher kein Zufall.

Damit ist eigentlich alles darüber gesagt, wessen Interessen auch zukünftig in der Rentenpolitik von den Regierenden in Berlin vertreten werden. Zwar sollen die Renten nach einer Nullrunde im vergangenen Jahr zum 1. Juli 2022 im Westen um 5,35 Prozent und im Osten um 6,12 Prozent steigen. Angesichts einer Inflationserwartung, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung mit 6,2 Prozent beziffert, wird von den Erhöhungen für die Versicherten real nicht viel übrig bleiben. Damit nicht genug: Der Referentenentwurf enthält eine Reihe von Änderungen bei der Berechnung der jährlichen Rentenanpassung, die weitere Rentenkürzungen zur Folge haben werden.

Besonders fatal wirkt sich hier die Wiedereinführung des seit 2018 ausgesetzten „Nachhaltigkeitsfaktors“, aus. Dies ist wahrscheinlich neben dem „Aufbau eines Kapitalstocks“ für die sogenannte „gesetzliche Aktienrente“, im Volksmund auch „Zockerrente“ genannt, der größte Erfolg des Neoliberalismus in der aktuellen Rentendebatte. Schließlich wurden auf Grundlage des Nachhaltigkeitsfaktors seit dessen erstmaliger Einführung 2003 sieben mal die Renten gekürzt. Die aktuelle Wiedereinführung im Rahmen des Rentenpakets I hat nun zur Folge, dass die Rentenerhöhung im Juli um 0,62 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird als ohne diese Gesetzesänderung. Eine weitere Konsequenz ist, dass die Renten weiterhin von der Lohnentwicklung abgekoppelt bleiben.

Vor dem Hintergrund dieser erneuten Angriffe auf die gesetzliche Rente wird es aus gewerkschaftlicher Sicht in den kommenden Monaten zunächst darum gehen, dass zumindest die im Koalitionsvertrag vereinbarte Verlängerung der Haltelinie „Sicherung des Rentenniveaus von 48 Prozent“ tatsächlich umgesetzt wird. Langfristig ist eine gesetzliche Haltelinie aber lediglich die zweitbeste Lösung. Die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent ist lediglich der erste Schritt. Ziel muss sein, das Rentenniveau perspektivisch wieder auf mindestens 53 Prozent anzuheben.

Ob dies gelingt, hängt auch davon ab, ob die IG Metall bei ihrer Kampagne für einen solidarischen Neuaufbau der Altersversicherung mit dem bewährten Slogan „Gute Arbeit – Gute Rente“ breite Unterstützung erhält.

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"Gegen die Zockerrente", UZ vom 29. April 2022



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