Das Jahr 2024 war geprägt von der Herstellung der „Kriegstüchtigkeit“ – mit Auswirkungen bis in jeden Winkel, jeden Bereich, jede Branche. Im industriellen Bereich war das Thema Deindustrialisierung prägend. Die Verteuerung der Energie wegen des „Kappens“ der Lieferung preisgünstiger Gaslieferungen aus Russland ist ein zentrales Problem der Branche.
Die Antwort des Kapitals beschränkt sich auf Arbeitsplatzabbau, Werksschließungen, Sparprogramme und Lohnsenkungen. Das hat Auswirkungen auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse, zumal die Gewerkschaftsvorstände bisher nicht kraftvoll dagegenhalten. Sie versuchen eher, das Kahlschlagprogramm des Kapitals und seiner Regierung „sozialverträglich“ umzusetzen.
Dazu zwei Beispiele: Die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie im Herbst und die Einigung bei VW im Dezember. Erstere wurde im Eilschritt durchgezogen. An den Warnstreiks, die innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums von rund zwei Wochen von Ende Oktober bis Mitte November stattfanden, beteiligten sich 620.000 Kolleginnen und Kollegen. Anschließend wurde vereinbart, dass die Entgelte von fast vier Millionen Beschäftigten innerhalb von 25 Monaten in zwei Stufen um insgesamt nur 5,1 Prozent steigen. Die Forderung der IG Metall hatte bei 7 Prozent für zwölf Monate gelegen. Die damit einhergehenden Reallohnverluste setzen den Trend der letzten Jahre fort. Am Ende der Laufzeit des Tarifvertrags Ende 2026 werden es dann zehn Jahre sein, in denen die Kaufkraft der Beschäftigten sinkt.
Die Tarifrunde wurde zudem nicht genutzt, um die zahlreichen betrieblichen Angriffe des Kapitals in den Blick zu nehmen und gemeinsame Abwehrkämpfe zu organisieren. Das wäre dringend notwendig gewesen, um diese vereinzelten betrieblichen Kämpfe zusammenzuführen. Stattdessen war eine gemeinsame Erklärung mit dem Kapitalverband Gesamtmetall Teil des Verhandlungsergebnisses. Demnach sollen die „richtigen Weichen“ gestellt werden, „die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Vergleich zu verbessern“. Diese Wettbewerbsfähigkeit steht derzeit im Fokus des IG-Metall-Vorstands.
Das zeigt auch die Auseinandersetzung bei VW im letzten Dezember. Das Ergebnis der Tarifauseinandersetzung: 35.000 Stellen werden bis 2030 abgebaut, die Zahl der Ausbildungsplätze reduziert, Leiharbeiter entlassen, auf Lohnerhöhungen verzichtet, Urlaubsgeld, Erfolgsprämie und anderes gestrichen. Durch den erzielten Abschluss werden mittelfristig mehr als 15 Milliarden Euro pro Jahr Kosteneinsparungen erreicht. Damit hat die IG Metall in ihrer stärksten Bastion den schlimmsten Angriff seit Jahrzehnten zugelassen. Sie hat ihn „sozial mitgestaltet“.
Das ist ein Zeichen für die gesamte Branche: Die potentiell kampfstärksten und bestorganisierten Lohnabhängigen wurden bei diesem konzentrierten Angriff des VW-Konzerns nicht in einen unbefristeten Arbeitskampf geführt. Dabei haben zwei große Warnstreiks, an denen jeweils rund hunderttausend Kolleginnen und Kollegen teilnahmen, gezeigt, dass die VW-Belegschaften bereit sind, ihre Interessen zu verteidigen und für Alternativen zu streiken – jenseits von Lohnverzicht, Stellenabbau und Werksschließungen.
Der Tarifabschluss bei VW trifft nicht nur die unmittelbaren Interessen der VW-Beschäftigten, die gesamte Klasse ist davon betroffen. Wo, wenn nicht bei VW, kann ein entschlossener Kampf gegen die Kahlschlagpläne der Konzerne geführt und eine Wende eingeläutet werden? Ein solcher Kampf hätte Ausstrahlung auf die gesamte Branche und ihre Beschäftigten.
War die Not bei VW wirklich so groß, wie vom Konzernvorstand behauptet? Natürlich nicht. Weder ist die Produktion zu teuer, noch werden Verluste gemacht. Es geht nur darum, den künftigen Profit zu sichern, die Profiterwartungen zu verwirklichen: 6,5 Prozent Rendite statt 3,5 Prozent sollen bei der Marke Volkswagen erreicht werden. 147 Milliarden Euro Gewinnrücklagen und mehr als 18 Milliarden Euro Nettogewinn 2023 waren ihnen nicht genug.
Ähnlich ist die Situation bei vielen anderen Auto- und Zulieferbetrieben – sei es Mercedes, Ford, ZF, Continental, Schaeffler oder Bosch. 75.000 Arbeitsplätze, also rund 10 Prozent, wurden in den zurückliegenden sechs Jahren in der Automobil- und Zulieferindustrie bereits verlagert oder gestrichen. Unter ihnen sind Zehntausende Leiharbeiter und Befristete.
Dieser Trend wird sich fortsetzen, wenn nicht eine starke Gegenwehr aufgebaut wird. Insbesondere auf Druck von Vertrauensleuten wurde der bundesweite dezentrale Aktionstag der IG Metall am 15. März festgelegt. Hunderttausend sollen nach Erwartung der IG Metall unter dem Motto „Mein Arbeitsplatz. Unser Industrieland. Unsere Zukunft!“ in Hannover, Leipzig, Köln, Frankfurt und Stuttgart auf die Straße gehen.
Der Aktionstag muss dazu genutzt werden, den Widerstand gegen Arbeitsplatzabbau und die zunehmenden Angriffe des Kapitals auf die Arbeiterklasse aufzubauen. Er muss genutzt werden, das Thema Arbeitszeitverkürzung und Konversion als Antwort auf Arbeitsplatzabbau zu platzieren. Wir brauchen eine Debatte über die Herstellung gesellschaftlich sinnvoller und notwendiger Produkte in den nicht ausgelasteten Autofabriken, wie zum Beispiel Busse und Bahnen. Darüber hinaus brauchen wir eine Debatte zur „Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum“. Diese Formulierung ist im Paragraph 2.4 der Satzung der IG Metall zu finden.
Lasst uns den 15. März zum Auftakt für weitere notwendige gewerkschaftliche, soziale und politische Kämpfe machen.