Wirtschaftsminister Gabriel will Erneuerbare ausbremsen und Kohlemeiler schützen

Gegen den Trend

Von Bernd Müller

Mehr Markt, weniger Staat. Dieses neoliberale Dogma will Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nun auch in der Energiewirtschaft vollends zum Durchbruch verhelfen. Auf der Energietagung des Handelsblatt sagte er in der vergangenen Woche, er wolle die „üppige“ Subventionierung des grünen Stroms beenden. „Nicht mehr die Politik entscheidet die Preise sondern der Markt“, sagte er.

Bei der Energiewende gehe es seiner Meinung nach nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität. Das Tempo des Ökostrombooms drohe, Bürger und Wirtschaft zu überfordern. Deshalb müssten neben dem Klimaschutz auch „Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit der Energiewende“ stärker berücksichtigt werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei gut gewesen, um Strom aus Wind, Sonne und Biomasse eine Anschubhilfe zu geben. „Aus den Welpen sind aber kräftige Jagdhunde geworden“, sagte der Minister, und deshalb bräuchten sie keinen „Welpenschutz“ mehr.

Im Hintergrund seiner Betrachtungen steht der internationale Konkurrenzkampf, nicht mit europäischen Staaten sondern mit aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie Südkorea: Es solle in den nächsten Monaten darüber geredet werden, was nötig sei, wie in Deutschland als „Lokomotive für Europa“ wieder ein nächster Modernisierungsschub hinzubekommen ist. Die Debatte müsse sich verändern. Im Mittelpunkt stehe die Frage: „Was können wir tun, um die Produktivität unserer Wirtschaft zu verbessern?“

Eine kostengünstige Energiewende gehöre dazu. Was Politik und Versorger jetzt leisten müssten, sei nicht weniger als ein neues System zu errichten. „Es muss die Erneuerbaren an den Strommarkt führen und kontinuierlich dabei die Kosten senken.“ Und der Strommarkt müsse für einen wachsenden Anteil der Erneuerbaren fit gemacht werden, was auch eine passende Infrastruktur beinhalte. Dafür seien ein zügiger Ausbau der Netze und eine „Digitalisierung der Stromversorgung“ notwendig. Für ihn sei die alles entscheidende Frage, „wie wir aus der Energiewende ein Modernisierungsprojekt für die deutsche Wirtschaft machen können, das die Nachhaltigkeit und Robustheit unseres Wohlstands erhöht und uns neue Marktchancen eröffnet“.

Aber dieses System müsse am Markt ausgerichtet werden. „Ich bin überzeugt, nur der Markt ist in der Lage die 1,5 Millionen Erzeugungsanlagen effizient mit der Nachfrage zu koordinieren.“ Es könne nicht sein, dass der Staat auf Dauer die erforderlichen Erzeugungskapazitäten festlege. Deshalb müssten sich sämtliche Erneuerbaren künftig „wettbewerblichen Ausschreibungen“ stellen müssen.

Dieser Punkt stößt bei den Vertretern der Erneuerbaren Energien auf Kritik. Der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell beklagt, dass mit der EEG-Novelle 2016 auch die Windenergie den Ausschreibungen unterworfen werden soll. Die Branche werde damit „das gleiche Schicksal erleiden wie schon zuvor die Solarbranche“. So habe es Gabriel geschafft, „in Deutschland die Solarwirtschaft entgegen dem weltweiten Trend massiv einbrechen zu lassen, die Bioenergiebranche am Boden zu zerstören“ und nun schicke er sich an, die Windenergie als einzigen noch florierenden Zweig in Deutschland dem gleichen Schicksal zu unterwerfen. Es sei unerträglich, wie der deutsche Wirtschaftsminister „eine Branche mit über 300000 Jobs erbarmungslos weiter abwürgen will“.

Tatsächlich will Gabriel den Ausbau der Erneuerbaren drosseln. Jetzt gehe es darum, sagte er, „wie wir es schaffen, das Ausbautempo anzupassen an die Ausbaukorridore, die die Politik verabredet hat“. 2025 wolle die Bundesregierung einen Anteil von Sonnen- und Windstrom von 40 bis 45 Prozent erreicht haben. Da es im vergangenen Jahr bereits 33 Prozent waren, müsse der Ausbau nun verlangsamt werden.

Auch der Vorwurf, Gabriel stütze die klimaschädliche Kohleenergie, ist nicht unberechtigt. Zwar kündigte er an, ab diesem Jahr mit allen Beteiligten über einen Kohleausstieg zu sprechen. Er sei aber nicht bereit, über Ausstiegsszenarien für Kohleregionen wie die Lausitz oder das rheinische Revier zu reden, ohne gleichzeitig realistische Einstiegsszenarien für nachhaltige und anständig bezahlte Ersatzjobs der Beschäftigten zu besprechen.

Zumindest für die Lausitz bedeutet das ein Weiterso, denn „anständig bezahlte“ Jobs sind außerhalb des Bergbaus kaum zu finden. Und so wie die Aktienkurse von RWE und E.on nach dieser Ankündigung gestiegen sind, dürfte auch der Verkaufspreis für die Braunkohlensparte von Vattenfall einen Sprung nach oben gemacht haben.

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"Gegen den Trend", UZ vom 29. Januar 2016



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