Gegen das Vergessen

Von Amanda Poschen

Russland wird bis heute zum Feindbild Nummer 1 für die westliche Welt stilisiert. Anstatt ein freundschaftliches Verhältnis mit Russland aufzubauen, setzen die Imperialisten, auch Deutschland, weiterhin auf einen aggressiven Kurs gegen Russland. Wirtschaftliche Sanktionen sowie der Beschluss der NATO, den Rüstungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttosozialproduktes aufzustocken, sind Beschlüsse, die zu erneuten Spannungen zwischen Ost und West führen.

Unter dem diesjährigen Motto „Ein dauerhafter Frieden ist nur mit Russland möglich“ lädt der Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“ am Samstag, 2. September, zum fünfzigsten Mal zur Mahn-und Gedenkveranstaltung auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock ein. Um 14 Uhr wird es eine Friedhofsführung geben, um 15 Uhr gibt es eine Kranzniederlegung mit anschließender Ansprache von Dr. Ulrich Schneider, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer gegen den Faschismus.

Anlässlich des Antikriegstages am 1. September rufen die Veranstalter seit 1967 zum gemeinsamen Gedenken, zur gemeinsamen Diskussion und zum gemeinsamen Kampf gegen Faschismus und Krieg auf. Die Veranstaltung ist ein Treffen von Friedensaktivisten aus aller Welt, jährlich besuchen Delegationen aus verschiedenen Ländern und auch ehemalige Gefangene des Lagers die Veranstaltung, um der Opfer der Verbrechen der Naziherrschaft zu gedenken. Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Notwendigkeit von Widerstand gegen aktuelle Entwicklungen besteht, damit sich Geschehnisse wie damals nicht wiederholen.

Vom 1. bis zum 3. September findet außerdem das Antifa-Workcamp in der Nähe des Friedhofs statt, zu dem verschiedene Jugendorganisationen, u. a. die SDAJ, einladen. Hier wollen sich Jugendliche unter anderem mit Themen wie dem Rechtsruck in Europa, Widerstand gegen den Faschismus, Antifaschismus heute und Verschwörungstheorien in verschiedenen Workshops beschäftigen. Zeitzeugen des deutschen Faschismus werden von ihren Erfahrungen als Jugendliche berichten. Ziel des Camps soll der Austausch von Erfahrungen sein, die Jugendlichen wollen gemeinsam aus der Geschichte lernen und Strategien gegen rechte Bewegungen in Deutschland entwickeln.

50 Jahre Blumen für Stukenbrock

Am Rande der Senne, zwischen Bielefeld und Paderborn, liegt der Ort Stukenbrock. Dort hatten die Nazis 1941 eines der vielen Lager für sowjetische Kriegsgefangene geschaffen, in dem etwa 65 000 Rotarmisten zu Tode gequält und in 36 Massengräbern verscharrt wurden.

Bis 1967 gedachten dort immer wieder unter Beobachtung der Politischen Polizei vor allem Mitglieder der VVN, der KPD und kirchlicher Kreise der Toten, indem sie Kränze und Blumen auf die Gräber brachten.

Mit dem 2. September 1967 sollte sich dieses vereinzelte Gedenken ändern. Mitglieder der Kirchlichen Bruderschaft Lippe, einige Kommunisten und Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Vertreter von Jugendorganisationen hatten sich zusammengefunden, um anlässlich des Antikriegstages eine gemeinsame Mahn- und Gedenkkundgebung durchzuführen.

Es ging den Veranstaltern um einen Appell gegen das Vergessen und die damals geplante Verjährung der Naziverbrechen.

Stilles Gedenken war uns zu wenig. Angesichts des Kalten Krieges wollten wir Alternativen zur praktizierten Politik der Bundesregierung aufzeigen. Die Bundesregierung unterstützte die USA im Krieg gegen Vietnam und war nicht bereit, die durch den 2. Weltkrieg entstandenen Ostgrenzen anzuerkennen.

An der ersten Kundgebung beteiligten sich rund eintausend Menschen. Sie gilt als Geburtsstunde des Arbeitskreises „Blumen für Stukenbrock“, der in den folgenden fünfzig Jahren nicht nachließ, sich für eine Friedens- und Verständigungspolitik mit der UdSSR und ihren Nachfolgestaaten einzusetzen. Für uns galt und gilt noch heute: Die Toten mahnen zum Frieden. Für eine glaubhafte Friedenspolitik wollten wir in Stukenbrock werben.

Viel Unterstützung erhielten wir, aber auch Kritik und Ablehnung. Man warf uns unter anderem einen Missbrauch des Andenkens Toter vor. Diese Kritik kam ausgerechnet aus jenen Kreisen, die bis heute die begangene Denkmalschändung in den 50er Jahren verteidigen. Sie weigern sich bis heute, die damals entfernte Glasplastik, die eine rote Fahne symbolisierte, wieder auf dem von den Überlebenden gebauten Obelisken anzubringen.

In einer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Jahre 2000 herausgegebenen Broschüre heißt es zum Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock: „Und dass ohne sein Engagement (…) keinerlei Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattgefunden hätte, wird inzwischen nur von wenigen bestritten.“

Werner Höner

(Gründungsmitglied und ehem. Vorsitzender des Arbeitskreises)

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"Gegen das Vergessen", UZ vom 25. August 2017



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