Seit Ausbruch der Pandemie fühlen sich viele Menschen regelrecht eingesperrt, weil das gesellschaftliche Leben eingeschränkt ist und viele aus gesundheitlichen Gründen über Wochen und Monate zu Hause bleiben müssen. Doch um ein Vielfaches schlimmer betroffen sind in dieser Zeit Gefangene, die absolute Isolation erleben, weil sie über längere Zeit überhaupt keinen Besuch empfangen konnten oder immer noch nicht können. Wenn die ohnehin meist wenigen Besuche über einen längeren Zeitraum ausfallen, kann das für Inhaftierte zu starken psychischen Belastungen führen.
Die Regelungen über die Aussetzung der Besuchszeiten in den Justizvollzugsanstalten werden in den Bundesländern verschieden gehandhabt, wie alle anderen Maßnahmen auch. Während es in Bayern ab dem 20. April wieder möglich ist, Gefangene zu besuchen, bleiben die Tore in Sachsen-Anhalt noch bis zum 25. Mai geschlossen. In Nordrhein-Westfalen (NRW) sind die Regelungen selbst in Nachbarstädten wie Dortmund oder Schwerte verschieden. Während in Schwerte wieder Besuche möglich sind, gibt es in der JVA Dortmund laut der Webseite nur in den allerdringendsten Fällen Besuchserlaubnisse.
Ein weiteres schwerwiegendes Problem ist die Einhaltung des Infektionsschutzes hinter Gittern. Zwar gibt es Rahmenhygienepläne der Landesregierungen für die Haftanstalten in den Bundesländern, doch wie diese auf engem Raum in den Justizvollzugsanstalten eingehalten werden können, lässt sich natürlich nur schwerlich überprüfen. In NRW beispielsweise wurden aus Platzgründen rund 1.000 der etwa 16.000 Gefangenen aus der Haft entlassen. Sie können die Haft unterbrechen, wenn sie wegen niedrigschwelliger „Straftaten“ wie Schwarzfahren verurteilt wurden. Auch einige Personen, die eine Freiheitsstrafe von bis zu 18 Monaten absitzen und bis Ende Juli sowieso entlassen worden wären, konnten zwischenzeitlich frei kommen.
Ausgenommen von dieser temporären Haftverschonung sind natürlich die politischen Gefangenen. So sitzen die wegen der angeblichen „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach Paragraf 129b inhaftierten Aktivistinnen und Aktivisten der kurdischen Freiheitsbewegung unverändert hinter Gittern. Auch der türkische Kommunist Müslüm Elma, Hauptangeklagter im seit Jahrzehnten größten Kommunistenprozess in Deutschland, der seit vier Jahren vor dem Oberlandesgericht München verhandelt wird, sitzt seit mittlerweile fünf Jahren in Untersuchungshaft. Daran hat auch der Ausbruch von Corona nichts geändert. Alle Verweise auf das Alter und die Vorerkrankungen bleiben ungehört. Zu groß ist das Verfolgungs- und Rachebedürfnis der Klassenjustiz. Damit nicht genug, müssen auch die anderen neun Angeklagten, die nach und nach aus der Untersuchungshaft entlassen wurden, regelmäßig mit ihren Verteidigern quer durch die Republik fahren und an den Prozesstagen teilnehmen.
Bei diesem Vorgehen sind sich die Herrschenden rund um den Erdball wie immer einig. Auch in der Türkei wurden zahlreiche Häftlinge entlassen, mit Ausnahme von politischen Gefangenen. Erst vor kurzem wurden in der Haftanstalt Silivri, wo viele linke Aktivistinnen und Aktivisten eingesperrt sind, 44 Personen positiv auf Corona getestet, betroffen sind noch zahlreiche weitere Gefängnisse. Die politischen Gefangenen unterliegen einer totalen Isolation. Weder Verwandte noch Anwälte werden in die Haftanstalten gelassen.
Auch die Situation in den kolumbianischen Gefängnissen ist dramatisch. Solidaritätsgruppen wie die „Movimiento Nacional Carcelario“ berichten von maßlos überfüllten Zellen und fehlender Hygiene, die vor allem die politischen Gefangenen in Lebensgefahr bringt.