Polizei räumt Palästina-Soli-Camp an Dortmunder Uni – mit absurder Begründung

Gefahrenprognose: Greta

Nachdem das Camp der Gruppe „Students for Palestine“ mit kurzer Unterbrechung seit drei Monaten auf dem Außengelände der TU Dortmund stand, ist es am 8. Oktober kurzfristig von der Polizei geräumt worden. Die dort Anwesenden reagierten aufgebracht, aber besonnen und geschlossen auf die Maßnahme.

Als Grund gab die Einsatzleitung gegenüber dem Orga-Team des Camps an, der bevorstehende Besuch der international bekannten und renommierten Klimaschützerin Greta Thunberg habe zu einer „Gefahrenprognose“ geführt, die den Polizeipräsidenten Gregor Lange zu diesem Schritt veranlasst hätte. Angeblich seien am Tag zuvor auf einer Palästina-Demonstration in Berlin antisemitische Äußerungen gefallen, und es sei zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und den Berliner Einsatzhundertschaften gekommen. Worin die „antisemitischen Äußerungen“ bestanden haben sollen, wurde weder vor Ort noch in den entsprechenden Pressemitteilungen der Dortmunder Polizeibehörde ausgeführt. In einem Video in den sozialen Medien hatte Thunberg die Bundesregierung für ihre Unterstützung des Genozids in Gaza kritisiert und sich gegen das Vorgehen der Polizei gegen die Demonstration gewandt.

Das machte sie in den Augen der Dortmunder Behörde vorerst zu einer „gewaltbereiten Person“, was diese so in ihrer Stellungnahme kommunizierte. Etwas kleinlaut hieß es dann in einem zweiten Statement tags darauf, dass im Anschluss an eine erneute polizeiliche Prüfung diese Wortwahl im Hinblick auf die Verbotsverfügung konkretisiert worden sei. Nicht Thunberg als Person sei gewaltbereit, ihr Einfluss auf die Versammlung könne jedoch zu gewalttätigen Handlungen gegen Personen und Eigentum führen, so die offizielle Befürchtung.

Außerdem hätte es die Auflage gegeben, dass sich nicht mehr als 50 Personen im Camp aufhalten dürften, erklärte Polizeisprecher Steffen Korthoff am Abend der Räumung gegenüber UZ. Auch warum trotz der Absage Thunbergs das ganze Camp geräumt werde, blieb eine offene Frage.

Die anwesenden Mitglieder des Dortmunder Friedensforums betrachteten die polizeiliche Räumung als politische Schikane, um die Solidaritätsaktion für Gaza zu sabotieren. „Diese Räumung ist absolut unverhältnismäßig“, erklärte Forumsmitglied Gerhild Rose im Gespräch mit UZ. Auch der Verweis auf eine angeblich notwendige zusätzliche Anmeldung von Rednerinnen als Begründung für die Räumung lässt die langjährige Friedensaktivistin nicht gelten. Schließlich sei das bei allen anderen Veranstaltungen auch nicht erforderlich gewesen.

Laut Camp-Leitung handelte die Polizeibehörde an diesem Tag insgesamt ziemlich widersprüchlich. So sei erst am Morgen die Bestätigung für die Fortführung der Dauerveranstaltung ausgehändigt worden, um dann gegen 17 Uhr mit dem Räumungsbescheid anzurücken.

Während die Campsprecherinnen und -sprecher mit der Einsatzleitung vor Ort verhandelten, wurde unter den rund 150 Anwesenden immer wieder „Free Palestine“-Rufe laut. Gleichzeitig wurde das Camp von den Studierenden abgebaut. Viele der Anwesenden fassten mit an, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

„Das wird ein rechtliches Nachspiel haben, so lassen wir nicht mit uns umgehen“, erklärt Students-for-Palestine-Mitglied Ahmad (Name geändert). Die Gruppe habe sich rund eine Woche nach der Räumung entschlossen, juristische Schritte gegen den Polizeieinsatz einzuleiten.

Das Camp soll vorerst nicht wieder aufgebaut werden, so der Sprecher gegenüber UZ.

Stattdessen setzt die Gruppe auf wöchentliche Mahnwachen auf dem Campus und der Innenstadt. Es seien einige Aktivitäten in Planung, die demnächst in den sozialen Medien veröffentlicht würden. Eine politische Forderung konnte inzwischen offenbar umgesetzt werden: Die TU-Leitung hat sich demnach nach Gesprächen im Nachgang der Räumung bereit erklärt, gemeinsam mit der Camp-Gruppe zum Monatsende eine Lehrveranstaltung an der TU anzubieten.

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