Schwere Klatsche für die NATO-Staaten USA und Britannien: Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) hat die langjährige Inhaftierung des Journalisten Julian Assange scharf kritisiert. In einer Entschließung vom 2. Oktober, die auf dem Bericht der isländischen Abgeordneten Thorhildur Sunna Aevarsdottir (Piratenpartei) beruht, bekunden die PACE-Parlamentarier die „tiefe Besorgnis“ über die „unverhältnismäßig harte Behandlung“ von Julian Assange. Aufgrund der „unverhältnismäßig schweren Anklagen, die von den US-Behörden gegen ihn erhoben wurden, sowie der hohen Strafen, die im Spionagegesetz für journalistische Tätigkeiten vorgesehen sind“, stufen ihn die Abgeordneten als „politischen Gefangenen“ ein. Die Verfolgung von Julian Assange habe einen „gefährlichen Abschreckungseffekt“ ausgeübt, der den Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie Whistleblowern auf der ganzen Welt untergrabe.
Die Versammlung, in der Abgeordnete aus den 46 Mitgliedstaaten des Europarates vertreten sind, fordert die USA in der rechtlich nicht bindenden Resolution auf, die von Assange und der von ihm gegründeten Enthüllungsplattform Wikileaks aufgedeckten Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Das Versäumnis, dies zu tun, in Verbindung mit der harten Behandlung Assanges und der Whistleblowerin Chelsea Manning, erwecke den Eindruck, dass die US-Regierung mit der Verfolgung von Assange eher das Ziel verfolgt, „das Fehlverhalten staatlicher Akteure zu verbergen, als die nationale Sicherheit zu schützen“.
Die PACE-Parlamentarier rufen die USA, die einen Beobachterstatus beim Europarat haben, zudem auf, das Spionagegesetz von 1917 „dringend zu reformieren“, um seine Anwendung auf Verleger, Journalisten und Whistleblower auszuschließen, die Verschlusssachen in der Absicht veröffentlichen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und auf schwere Verbrechen aufmerksam zu machen – wie es Assange und Wikileaks eben getan hatten.
Die Behörden des Vereinigten Königreichs hätten es ihrerseits versäumt, kritisiert die PACE-Entschließung, Assanges Recht auf freie Meinungsäußerung und sein Recht auf Freiheit wirksam zu schützen, „indem sie ihn trotz des politischen Charakters der schwersten Anschuldigungen gegen ihn einer langen Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis aussetzten“. Seine Inhaftierung habe die für eine Auslieferung akzeptable Dauer bei weitem überschritten, so die Versammlung. Assange war insgesamt 14 Jahre seiner Freiheit beraubt, bis er im Sommer nach einem Deal mit der US-Regierung aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, dem „britischen Guantánamo“, überraschend freigekommen ist.
Julian Assange war in der vergangenen Woche persönlich nach Straßburg gekommen, um in seinem Fall auszusagen. Es war seine erste öffentliche Stellungnahme seit seiner Entlassung aus britischer Haft vor vier Monaten. Der Grund, warum er auf freiem Fuß ist, sei nicht, dass das System funktioniere oder dass Gerechtigkeit geübt worden sei, sondern dass er sich des Journalismus schuldig bekannt habe, stellte Assange bei seiner Anhörung im Ausschuss für Recht und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg klar. „Während ich dem Kerker von Belmarsh entsteige, scheint die Wahrheit immer weniger erkennbar zu sein, und ich bedaure, wie viel Boden in dieser Zeit verloren gegangen ist, wie sehr die Wahrheit unterminiert, angegriffen, geschwächt und geschmälert worden ist“, so Assange weiter. Und angesprochen auf die Lage heute: „Ich sehe mehr Geheimhaltung und mehr Unterdrückung, aber auch mehr Selbstzensur bei Journalisten, was schlimm ist. Journalismus ist kein Verbrechen.“
Mehrfach verwies Assange auf die Zustände im Gazastreifen, wo Informationen über das reale Kriegsgeschehen nach Kräften unterdrückt und Journalisten von der israelischen Armee gezielt getötet werden – mit dem 19-jährigen Hassan Hamad am Wochenende sind es nunmehr 175. Assange erinnerte in Straßburg an das von Wikileaks 2010 unter dem Titel „Collateral Murder“ veröffentlichte Video der US-Armee, für das er verfolgt wurde: Es dokumentiert die Ermordung unter anderem der für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitenden irakischen Kriegsberichterstatter Saeed Chmagh (40) und Namir Noor-Eldeen (22) durch Beschuss aus einem US-Kampfhubschrauber. Bis heute bleiben die Journalistenmörder straffrei.