Arnold Schölzel zum angeblich russischen Auftragsmord in Berlin

Gefährliche Zündelei

Am 18. Juni beschloss die Nukleare Planungsgruppe der NATO neue Schritte zur atomaren Aufrüstung gegen Russland. Die „FAZ“ fasste das Ergebnis in der Schlagzeile zusammen: „Die NATO kann früher mit Atomschlägen drohen.“ An die „Qualitätspresse“ wurde aus den geheimen Dokumenten durchgestochen, dass sich das Bündnis nicht mehr an die bei Kündigung des INF-Vertrages gegebene Zusage hält, keine landgestützten atomaren Mittelstreckenraketen in Europa zu stationieren. Demnach sollen sie nun doch aufgestellt werden – konventionell bestückt. Sie könnten jedoch, so die „FAZ“, „auch nuklear aufgerüstet werden“.

Einen Tag nach der Eskalation erhob der deutsche Generalbundesanwalt Anklage wegen eines angeblichen Auftragsmords der russischen Regierung am 23. August vergangenen Jahres in Berlin. Dem folgte sofort eine Drohung. Außenminister Heiko Maas erklärte am 19. Juni: „Das ist sicherlich ein außerordentlich schwerwiegender Vorgang.“ Die Bundesregierung behalte sich „weitere Maßnahmen“ vor.

Aufrüstung und politische Instrumentalisierung der deutschen Justiz gehen wieder einmal Hand in Hand. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) forderte daher am 19. Juni „eine konstruktive Zusammenarbeit der zuständigen Justizstellen in Deutschland und Russland“ statt „Vorverurteilungen und Sanktionsdrohungen“. Dabei hatten laut „Zeit“ deutsche Geheimdienste der Bundesregierung nach dem Mord zunächst vorgeschlagen, relativ geräuschlos mehrere mutmaßliche russische Agenten auszuweisen. Berlin wollte aber einen „Knall“. Der Generalbundesanwalt zog den Fall erst im Dezember 2019 an sich – ein Indiz, dass Russland an den Pranger gestellt werden soll.

Die deutschen Rechtshilfeanträge wurden entsprechend formuliert. Laut „Zeit“ verlangt die deutsche Seite die Durchsuchung der angeblichen Wohnadresse des tatverdächtigen Wadim Sokolow – ob er wirklich so heißt, ist unklar – in St. Petersburg durch ihre Ermittler. Das erinnerte „jW“-Kommentator Reinhard Lauterbach mit Recht an das österreichische Ultimatum an Serbien im Juli 1914, das nach dem Attentat von Sarajevo ebenfalls eine solche Forderung enthalten hatte. Ziel war, eine Ablehnung durch die serbische Seite zu provozieren. Laut „Zeit“ war auch Russland nicht bereit, seine Souveränität dem neuen deutschen Großmachtwahn unterzuordnen. Die Konfrontation führt so zu einer kreuzgefährlichen Zündelei.

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"Gefährliche Zündelei", UZ vom 26. Juni 2020



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