CELAC-Gipfel unter dem Eindruck der Rückkehr Brasiliens – Lateinamerikanische Staatschefs lehnen Waffenlieferungen an Ukraine ab

Geeinte Region

Mit einem Bekenntnis zur Einheit sowie „der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Vielfalt unserer Völker“ wurde am Dienstag vergangener Woche in Buenos Aires das eintägige 7. Gipfeltreffen von Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) beendet. Die Rückkehr Brasiliens, dessen Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gefeiert wurde, hat die Einflussmöglichkeiten des Bündnisses beim Übergang zu einer multipolaren Weltordnung gestärkt. Nachdem Lulas faschistischer Vorgänger Jair Bolsonaro die Mitgliedschaft 2020 ausgesetzt hatte, waren in Buenos Aires wieder alle 33 Mitglieder vertreten. Im Gegensatz zu der von Washington dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) umfasst die im Dezember 2011 in Caracas gegründete CELAC – mit Ausnahme der USA und Kanadas – alle anderen Ländern des amerikanischen Kontinents. Die CELAC-Staaten bilden laut Internetseite der Organisation den drittgrößten Wirtschaftsraum der Welt. Die rohstoffreiche Region ist weltweit der größte Nahrungsmittelproduzent sowie der drittgrößte Erzeuger elektrischer Energie. Zugleich leben jedoch rund 30 Prozent der knapp 600 Millionen Bürger in den 33 Mitgliedsländern in Armut.

„Der Moment ist gekommen, Lateinamerika und die Karibik zu einer geeinten Region zu machen, die in ihrem Streben nach Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit zusammenarbeitet und dieselben Interessen zugunsten des Fortschritts unserer Völker vertritt“, hatte der gastgebende argentinische Präsident Alberto Fernández zur Begrüßung erklärt. In der 28-seitigen Abschlusserklärung bekennen sich die Nationen zu dem Ziel, mit gemeinsamen Maßnahmen zur Beseitigung von Armut, Hunger, Ungleichheit und Ungerechtigkeiten in der Region beizutragen. Das Dokument unterstreicht auch die 2014 auf dem zweiten CELAC-Gipfel in Havanna einstimmig verabschiedeten Proklamation Lateinamerikas und der Karibik als „Zone des Friedens“. Daran anknüpfend erklärte Lula da Silva: „Die Region leistet einen klaren Beitrag zum Aufbau einer friedlichen Weltordnung, die auf dem Dialog, der Stärkung des Multilateralismus und dem kollektiven Aufbau der Multipolarität beruht.“ Dialog und Frieden seien angesichts multipler globaler Krisen heute besonders wichtig. In der Logik dieser Positionen widersetzten sich die Präsidenten Alberto Fernández (Argentinien), Gustavo Petro (Kolumbien) und Luiz Inácio Lula da Silva (Brasilien) in den Tagen nach dem Gipfel Forderungen der USA, der EU und der BRD nach Waffenlieferungen an die Ukraine. Mexikos Staats- und Regierungschef hatte bereits am 25. Januar kritisiert, dass die Regierung in Berlin „gegen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung“ beschlossen habe „mehr Waffen in die Ukraine zu schicken“. Alberto Fernández bekräftigte die CELAC-Position am vergangenen Sonntag erneut. „Argentinien und Lateinamerika denken nicht daran, Waffen an die Ukraine oder irgendein anderes Land in einem Konflikt zu schicken“, erklärte er auf einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der einen Tag zuvor auf der Suche nach Rohstoffen und Energiekooperationen zu einer dreitägigen Lateinamerikareise aufgebrochen war.

Unabhängig von Differenzen, die deutlich wurden, als der sozialdemokratische Präsident Chiles, Gabriel Boric, die Regierungen von Nicaragua und Venezuela kritisierte und Uruguays rechter Staatschef Lacalle Peru den beiden Länder und Kuba Verstöße gegen die Menschenrechte vorwarf, fordern die CELAC-Staaten in der Schlusserklärung ein sofortiges Ende der Blockade gegen Kuba. Die US-Blockade verstoße „nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern fügt auch dem Wohlergehen des kubanischen Volkes schwere Schäden zu“, heißt es in dem Dokument. Um die Absichtserklärungen des Gipfels in die Realität umzusetzen, schlug Gustavo Petro konkrete Projekte vor. So etwa den Ausbau und die Kooperation bei der regenerativen Energieerzeugung und der Stromnetze. Außerdem forderte er eine stärkere Industrialisierung der Region, die sich nicht „unter demselben kolonialen System von fünf Jahrhunderten“ auf den Rohstoffexport reduzieren lassen dürfe. Sein Amtskollege Luis Arce aus dem an Lithium reichen Bolivien bekräftigte die Forderung, dass die CELAC „der Raum und das Instrument für den Aufbau einer neuen Art der emanzipatorischen, multidimensionalen und nicht untergeordneten Integration“ sein müsse. Arce forderte, dass die Region sich bei der Suche nach globalen Partnern verstärkt in Richtung BRICS orientieren solle, was es ermögliche, „unter günstigen Bedingungen an der Weltwirtschaft teilzunehmen und sie zu beeinflussen“. Argentinien hat sich bereits um Aufnahme in das aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bestehende BRICS-Bündnis aufstrebender Volkswirtschaften beworben.

Als einziger Staatschef außerhalb der CELAC war Chinas Präsident Xi Jinping eingeladen. In einer Videobotschaft versicherte Xi, dass China den regionalen Integrationsprozess in Lateinamerika und der Karibik unterstütze, und begrüßte, dass sich „immer mehr Länder in der Region für eine Zusammenarbeit im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative entscheiden“. China sei bereit, mit den Ländern Lateinamerikas und der Karibik zusammenzuarbeiten, um den Weltfrieden und die Entwicklung zu mehr Gleichheit, Wohlstand und Gerechtigkeit zu fördern, sagte er. Während Xi Jinping mit seiner Botschaft punkten konnte, wirkte der als Vertreter von Präsident Joseph Biden angereiste US-Politiker Christopher Dodd wenig überzeugend, als er beteuerte, Washington respektiere alle demokratisch gewählten Regierungen. Er ignorierte Andrés Manuel López Obrador, der in einer Videobotschaft gefordert hatte, dass die „überholte, anachronistische Politik“ der Monroe-Doktrin aufgegeben werden müsse. „Es darf keine Hegemonen geben, die Unabhängigkeit aller Länder muss respektiert werden“, erklärte der mexikanische Präsident in Richtung des nördlichen Nachbarn.

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"Geeinte Region", UZ vom 3. Februar 2023



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