Die Gemeinde Schloss Holte-Stukenbrock in der ostwestfälischen Senne ist normalerweise kein Ort, der viele Besucher anzieht. Ganz anders am ersten Septemberwochenende: Alljährlich kommen an diesem Wochenende nach dem Antikriegstag Jugendliche aus ganz Nordrhein-Westfalen und den umliegenden Bundesländern zusammen, um den hier begrabenen sowjetischen Kriegsgefangenen zu gedenken.
Im von der Wehrmacht betriebenen Stammlager 326 (VI K) Senne wurden hier ab 1941 insgesamt etwa 300.000 Kriegsgefangene interniert und zur Arbeit gezwungen, die neben der umliegenden Landwirtschaft auch im Ruhrbergbau verrichtet wurde. Durch die katastrophalen Arbeits- und Hygienebedingungen, aber auch durch direkte Gewaltanwendung der Wehrmacht wurden bis 1945 65.000 von ihnen getötet. Unmittelbar nach ihrer Selbstbefreiung errichteten die entkräfteten Überlebenden ihren gefallenen Kameraden in Schichten von kaum zehn Minuten einen Obelisken und markierten die 36 Massengräber mit kleineren Gedenksteinen.
In das Bild einer vermeintlich sauberen Wehrmacht, das die nie entnazifizierte Bundesrepublik nach dem Krieg zeichnen wollte, passte ein Gedenken an die Toten von Stukenbrock nicht hinein. Das Massengrab und die Gedenkstätte der Überlebenden wurden dem Verfall preisgegeben, in den 1950er Jahren gar damit begonnen, den Obelisken abzureißen.
Es ist vor allem dem Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock zu verdanken, dass der Friedhof heute durch das Land NRW zumindest leidlich gepflegt wird und dort seit Jahrzehnten am Wochenende nach dem Antikriegstag eine gut besuchte Gedenkveranstaltung stattfindet. Auch das Jugendcamp am selben Wochenende hat eine lange Tradition und wird seit 2016 federführend durch die SDAJ Ruhr-Westfalen ausgerichtet.
Die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers und des Ehrenfriedhofs bildeten einen wesentlichen Bestandteil des inhaltlichen Programms auf dem dreitägigen Camp in diesem Jahr. Für die Einführung und ein Expertengespräch am Lagerfeuer standen jeweils Mitglieder des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock bereit, während die Jugendfriedhofsführung, die gerade für neue Teilnehmende einen ebenso bedrückenden wie beeindruckenden Einstieg in die Geschichte Stukenbrocks darstellt, schon seit einigen Jahren durch das Camp selbst vorbereitet und geleitet wird.
Gleichwohl ging es den Organisatoren des Camps auch in diesem Jahr um mehr als stilles Gedenken. In zahlreichen Workshops wurde dem Ursprung von und dem Zusammenhang zwischen Faschismus, Krieg und der Herrschaft des Kapitals auf den Grund gegangen und eifrig darüber diskutiert, wie das Motto des Camps, „Gedenken heißt Kämpfen“, in die Tat umgesetzt werden kann.
Ein Schwerpunkt lag dabei auf der aktuellen Kampagne der SDAJ: „Eure Kriege – ohne uns!“ So konnte einerseits gelernt werden, wie sich KPD und FDJ historisch gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik einsetzten oder wie SDAJler sich in den 1970er und 80er Jahren gegen die Wehrpflicht wehrten, andererseits aber auch über die praktischen Möglichkeiten diskutiert werden, sich heute gegen die Politik der Militarisierung und Aufrüstung zu organisieren. Als Höhepunkt wurden am Samstagabend im Kriegstreibertribunal Monopolkapital und Bundesregierung symbolisch für ihren Verbrechen gegen die Interessen der arbeitenden und lernenden Jugend verurteilt.
Treffend zusammengeführt wurden die Säulen des inhaltlichen Programms in der Rede des Jugendcamps auf der Gedenkveranstaltung am Samstag, die von den Besuchern vielfach gelobt wurde.
Die Teilnehmenden konnten in den drei Tagen nicht nur viel über politische Inhalte lernen, sie haben ihr Camp auch selbst organisiert und durch gemeinsames Anpacken bei Auf- und Abbau sowie zahlreichen Schichten auf dem Platz in die Tat umgesetzt. Verlassen konnten sie sich dabei auch auf die tatkräftige Unterstützung der DKP.
Das nächste Antifa-Camp in Stukenbrock findet vom 5. bis 7. September 2025 statt. Im achtzigsten Jahr der Befreiung vom Faschismus wird es sicherlich eine ganz besondere Veranstaltung.
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