Vor 80 Jahren marschierten die Faschisten in Madrid ein

Gebt acht!

Die Francofaschisten hatten die spanische Republik besiegt. Sie trieben hunderttausende Antifaschisten auf die Flucht aus Spanien, ermordeten Zehntausende und machten Hitler den Weg in den Weltkrieg frei. UZ dokumentiert Eindrücke und Berichte zweier deutscher Spanienkämpfer.

 

Wenn sie singen würden …

Nach der Niederlage: „Unser Madrid lebt“

Sieben Wochen nach dem Grenzübertritt erreicht die Spanier und Internationalen in den französischen Lagern von Saint-Cyprien und Argelès die Nachricht, dass Madrid, das uneinnehmbare, durch Verrat gefallen und der spanische Krieg beendet ist: Dreißig Monate hat Madrid den fremden Truppen den Zugang verwehrt.

Es ist wahr, dass die Kanonen jetzt schwiegen. Es ist wahr, dass der Verrat dem Volk die Waffen aus der Hand schlug. Doch wie „der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ ist, so ist der „Friede“, der heute in Spanien herrscht, nur eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Franco selbst spürt das am besten, wenn er ruft: „Gebt acht, Falangisten! Der Krieg ist nicht beendet!“

Francos Presse bekräftigte diese Wahrheit mit zahlreichen Zugeständnissen, die nicht eben „siegreich“ klingen. Ein offizieller Chronist dieser Presse war es, der in der falangistischen Zeitung von San Sebastián „La Voz de España“ seine „Eindrücke aus Madrid“ in diesen Worten schilderte:

„Es schien, als wollte diese Unmenge von Menschen, die sich in die Straßen von Madrid ergoss, (…) unseren Soldaten entgegeneilen, um sie zu feiern, zu applaudieren und im Triumph zur Puerta del Sol zu tragen. Doch nichts von alledem! (…) Ich schwöre es, ich habe keine Ovationen, keinen Beifall gehört.

Wohl gab es in den Straßen des Zentrums Gruppen, besonders von Frauen, die Spanien, unsere Armee und Franco akklamierten; doch man sah auf den ersten Blick, dass diese Gruppen aus den Unsrigen bestanden.“

Wenn schon ein Franco-Berichterstatter das schreiben muss, dann sieht man in der Tat: Der Krieg geht weiter. „Früher“, so schreibt derselbe Journalist, „sangen die Frauen von Madrid und wuschen ihre Wäsche. Wenn sie jetzt singen würden, so könnten sie nur den ‚Marsch des 5. Regiments‘ und die ‚Internationale‘ singen.“ Kurz, der „triumphale“ Einzug Francos in Madrid war etwa ebenso triumphal wie der Einzug Hitlers in Prag, wie jeder Einzug einer fremden Armee in eine feindliche Stadt. Und während die Faschisten vor der offiziellen Tribüne ihren Schlachtruf: „Franco, Franco, Franco!“ ausstießen, zirkulierte in den Arbeitervierteln bereits eine etwas andere, vervollständigte Version dieses Schlachtrufes: „Franco, Franco, Franco, dónde está el pan blanco?“ („Franco, Franco, Franco, wo ist das weiße Brot?“)

Nein, Kameraden, unser Madrid hat sich nicht geändert! Es hat gegenwärtig eine fremde Besatzungsarmee in seinen Mauern. Viele seiner treuesten Söhne sind von dieser „glorreichen“ Besatzungsarmee an der Mauer des Carcel Modelo „glorreich“ besiegt, das heißt erschossen worden. Doch das Volk von Madrid, das wir aus der Zeit von Las Rozas, von Jarama, von Guadalajara und von Brunete kennen, kann nicht erschossen werden.

„Gebt acht …! Der Krieg ist nicht beendet!“

Von Kurt Stern (KPD, SED), Schriftsteller, Politkommissar in den Internationalen Brigaden.

Aus: Brigada Internacional. Erlebnisse ehemaliger deutscher Spanienkämpfer, Bd. 2.

Spanien von Feinden besetzt: 1940 zeigen Francos Generäle ihrem Gast Heinrich Himmler (3. v. r.) die Trümmer des Krieges.

Spanien von Feinden besetzt: 1940 zeigen Francos Generäle ihrem Gast Heinrich Himmler (3. v. r.) die Trümmer des Krieges.

Verraten, nicht besiegt

Wie bürgerliche Offiziere und Regierungen für den „Frieden“ putschten

(Im Februar 1939 hatte die Spanische Republik noch eine beachtliche Armee von mehreren hunderttausend Mann mit Artillerie, Panzern und Flugzeugen und die Marine.) Dass diese Armee durchaus noch in der Lage war, viele Monate Widerstand zu leisten, wurde von den verantwortlichen Kommandeuren der Fronten in der südlichen Zentralzone auf einer Mitte Februar durchgeführten Beratung bestätigt. Das hätte aber für die Verteidigung des Weltfriedens, gegen die Kriegspläne der faschistischen Mächte, eine große Bedeutung gehabt. (…)

Die Kommunistische Partei Spaniens war beunruhigt über die militärische Lage und über die tatsächliche Lage der Einheit der Arbeiterklasse und der Volksfront. Die Leitung der KP Spaniens legte dem Ministerpräsidenten Negrín nahe, General Miaja durch einen energischeren Mann zu ersetzen und den Oberst Casado, Militärkommandant von Madrid, der nicht vertrauenswürdig war, zu entlassen. Tatsächlich unterhielt Casado über den britischen Konsul in Madrid Verbindungen zu England mit der Absicht, den Widerstand zu beenden und die Kapitulation vorzubereiten. Negrín lehnte aber ab, dem Vorschlag der KP Spaniens zu entsprechen, weil er Disziplinlosigkeit in der Armee befürchtete. (…)

Am 27. Februar holte nun die britische Regierung zu einem neuen Schlag gegen die spanische Republik aus: Sie erkannte gemeinsam mit der französischen Regierung die Franco-Regierung in Burgos an. Das war eine offene feindliche Handlung gegen die völkerrechtlich einzige legale Regierung Spaniens, die Regierung Negrín. Das ermutigte alle defätistischen Elemente, mit Hilfe dieser Länder den „Frieden“ zu machen.

Am 4. März erhoben sich in der Militärbasis Cartagena die Faschisten. Der Aufstand wurde rasch niedergeschlagen. Die Befehlshaber der Flotte gaben aber nun unter Ausnutzung des faschistischen Aufstandes den Befehl zum Auslaufen der Flotte und nahmen Kurs auf den an der nordafrikanischen Küste gelegenen französischen Kriegshafen Bizerta.

In der Nacht zum 5. März erhob sich Oberst Casado gegen die Regierung. Mit dem Rechtssozialisten Julián Besteiro, dem anarchistischen Armeekorpschef Mera und dem Rechtssozialisten Wenceslao Carrillo bildete er die sogenannte „Junta der nationalen Verteidigung“. Sie sprachen in einem Appell an die Bevölkerung viel von „der Notwendigkeit, dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten“, von einem „würdigen Frieden“, von einer „Regierung ohne die Kommunisten“ und auch von der „Fortsetzung des Kampfes ohne die Kommunisten“. Die „Junta“ ordnete die Freilassung der inhaftierten Faschisten und die Verhaftung der kommunistischen Offiziere und Kommissare an. Die Kommunisten waren die ersten im Kampf gegen Franco. Aber die Front halten und gleichzeitig den Aufstand der Verräter niederwerfen, das war nicht möglich.

Am 19. März leitete die „Junta“ Besteiros und Casados offizielle Waffenstillstandsverhandlungen ein. Franco antwortete mit der Forderung nach sofortiger bedingungsloser Kapitulation. Am 26. März 1939 begann er eine Generaloffensive. Am 28. März wurde Madrid, das nicht besiegt, sondern verraten worden war, von den faschistischen Truppen besetzt. Die Faschisten feierten ihren Sieg mit furchtbaren Massenmorden.

Die britische Regierung, die Casado zu seinem Verrat, zur Bildung der „Junta“ inspiriert hatte, entsandte ein Kriegsschiff zu einem Hafen in die Nähe von Valencia, um Casado, Miaja und die anderen Organisatoren der „Junta“ an Bord zu nehmen. Nur Besteiro blieb in Spanien. Er empfing die Franco­faschisten und ausländischen Eindringlinge in Madrid. Sie lohnten ihm seinen Verrat, indem sie ihn zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilten. Er starb im Gefängnis.

Die spanischen Kommunisten führten ihren heldenhaften Kampf weiter: jahrelang noch als Partisanen in den Bergen und nun schon fast 40 Jahre im Untergrund.

Von Max Schäfer (KPD, DKP), Offizier in den Internationalen Brigaden,

später Chefredakteur der „Marxistischen Blätter“.

Aus: Spanien 1936 bis 1939. Erinnerungen von Interbrigadisten aus der BRD, Neue Impulse Verlag, 2016.

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"Gebt acht!", UZ vom 22. März 2019



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