Mit den Angriffen auf Rafah will Israel seine Expansionspolitik endgültig durchsetzen

Gaza ohne Palästinenser

Als Ministerpräsident Netanjahu nach den Angriffen der Hamas vom 7. Oktober von einem neuen Unabhängigkeitskrieg Israels sprach, hatte es zwei Bedeutungen: er sprach von der Bedrohung durch einen Krieg an vielen Fronten – und zugleich von einem Krieg für ein neues Israel. Ein Israel in Grenzen, die Netanjahu vor der Generalversammlung der UN auf einer Karte gezeigt hatte: „From the River to the Sea“ und womöglich ohne störende Palästinenser – „Menschliche Tiere“, wie sie Verteidigungsminister Joaw Gallant nannte. Jetzt sollen die Palästinenser wieder fliehen, in ein Flüchtlingslager mit 40.000 Zelten außerhalb von Rafah.

Die Menschen in Gaza von einem angeblich sicheren Ort zu einem anderen zu treiben und sie dabei zu bombardieren, soll sie zum Verlassen des Gaza-Streifens zwingen. Siedlungsbau, Apartheid, Folterungen, Massengräber, Menschen lebendig zu begraben dient nicht der Verteidigung eines jüdischen Staates. Es ist die Expansionspolitik einer rechten nationalistischen Ideologie. Vor dem Ersten Weltkrieg bezeichnete die linke Sozialdemokratie den Zionismus als Werkzeug des Imperialismus. Linke Juden beklagten in den 1930er Jahren die Gewalt der zionistischen Siedler gegen Palästinenser. Und nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Zionismus die Erinnerung an das Verbrechen des Holocaust gekapert und nutzt sie als Deckung für seine eigenen Verbrechen. Viele Juden in aller Welt protestieren deshalb gemeinsam mit Palästinensern gegen den zionistischen Expansionskrieg in Gaza.

Für das israelische Militär ist dieser Krieg nicht zu gewinnen. Aber schon ein Kompromiss, ein Waffenstillstand erscheint vielen in Israel als eine Niederlage, die es nicht geben darf. Rafah erobern, die Hamas und die Hisbollah vertreiben – oder Waffenstillstand? Bis zuletzt verfolgt Netanjahu eine Politik des Alles oder Nichts. Diese Politik geht so weit, dass sie selbst entschiedenste Unterstützer des Zionismus wie die USA und Frankreich zaudern lässt. Dabei hätten die USA schon vor Monaten die Möglichkeit gehabt, den Genozid aufzuhalten.

Einmütig hat das israelische Kriegskabinett beschlossen, den Angriff auf Rafah fortzuführen. Das israelische Militär hat den Grenzübergang bei Rafah dicht gemacht, Personen oder gar Hilfsgüter können die Grenze nicht passieren. Mit dem drohenden Angriff will Netanjahu nicht die Hamas zu Zugeständnissen erpressen – sondern die westlichen Unterstützer Israels.

Alles oder Nichts? Wenn die israelische Regierung das Angebot, den Krieg zu beenden, nicht ergreift, kann aus dem Alles auch ein Nichts werden. Eine Niederlage, die das Land verändert und den Mythos Israel zerstört.

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"Gaza ohne Palästinenser", UZ vom 10. Mai 2024



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