Zu Alexej Nawalny

Gas statt Galgen

Deutschlands Verantwortung für Israels gesicherte Existenz ist Staatsräson. Man mag dem politisch zustimmen, was der damalige Botschafter Rudolf Dreßler 2005 schrieb und was Angela Merkel in der Knesset 2008 wiederholte, oder nicht – aber es lässt sich daraus der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus begründen.

Es sei denn, es geht um nützliche Antisemiten und Rassisten. 2014 konnte Außenminister Steinmeier (der der Bundeszentrale für politische Bildung 2009 diktierte, dass „unser Land gelernt hat, die Verbrechen unserer nationalsozialistischen Vergangenheit rückhaltlos aufzuarbeiten und daraus die Konsequenz einer auf Ausgleich gerichteten Friedenspolitik“ ziehe) in der von ihm ausgehandelten ukrainischen Putschregierung keine Rechtsextremisten erkennen – dass ein „Joseph-Goebbels-Zentrum für politische Studien“ der damaligen Regierungspartei „Swoboda“ irgendetwas mit dem Nazi-Propagandaminister zu tun hatte, war nicht zu ahnen. „Swoboda“ pflegte schon zuvor gute Beziehungen zur NPD, aber für die Bundesregierung war relevant, Präsident Viktor Janukowitsch zu stürzen. Also ging es um Demokratie und Menschenrechte.

Zum demokratischen Spektrum gehörig ist eben jene NPD, wie der Russe Alexej Nawalny findet. Der nennt Kaukasier „Kakerlaken“, umgibt sich mit Nationalisten, lässt sich aber seit seinem Studium an der US-Elite-Universität Yale im Jahr 2010 aus gutem Grund nicht mehr gar so gern auf Märschen von Neonazis und Antisemiten filmen. Denn er wird gegen Wladimir Putin gebraucht; und so setzen das politische Personal der Herrschenden – allen voran und als einzige geschlossen die „Grünen“ – in ihrem Hass auf alle, die ihren Vätern 1945 ein paar Jahre lang Läuterung zu fingieren aufgenötigt hatten, alles daran, zur Not jeden Rechtsextremisten als seriösen Demokraten hinzustellen – wenn er denn hilft, diese Schmach zu tilgen.

Dass von einem Mann rechts der AfD Anrufe beim Geheimdienst oder Putinpalastkamellen vorgebracht werden, wie sie sich kein Satiremagazin abstruser hätte ausdenken können, ist eine Sache. Dass diese aber bei Deutschlands Medien und politischem Personal weit besser ankommen als in Russland, ist eine zweite, die denkende Menschen besorgen muss.

Dennoch ist Nord Stream 2 immer noch nicht zu stoppen. Die Rationalen unter den Entscheidern ahnen, dass russisches Gas zuverlässig zu haben besser ist als von US-Frackingprodukten abzuhängen. Das Kapital sieht noch keine 300 Prozent.

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"Gas statt Galgen", UZ vom 29. Januar 2021



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