Es ist der Morgen des 25. November, kurz vor neun Uhr, ein trüber Samstag. Auf den geparkten Autos im Hof sammelt sich Schnee. Was sich an dem Tag im Landhaus Adlon abspielt, wirkt wie ein Kammerspiel – doch es ist Realität.“ Die skurrilen Teilnehmer des Potsdamer „Kammerspiels“, zwei Dutzend Ausländerfeinde aus AfD, der Werteunion und anderen Grüppchen, hatten sich in der Villa am Lehnitzsee zu nichts Geringerem verabredet als dazu, einen „Geheimplan gegen Deutschland“ zu schmieden, schreibt die „investigative“ Internetplattform „Correctiv“.
Trotz Nachrichtentechnik und einem „Undercover“-Gast erfährt der Leser nur Oberflächlichkeiten: Die wenig überraschende Erkenntnis, dass Rechte sich wieder einmal das Hirn zermartern, „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“ oder wie „Menschen (…) aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben“. Wer es schafft, die Recherche, mühselig abgefasst im Stil einer Tragödie in drei Akten mit Epilog („Am Abend danach ist alles still. Das Hotel wirkt wie ausgestorben. Nur ein leichtes Fernsehflackern kommt aus der Juniorsuite.“) bis zu Ende zu lesen, versteht nicht recht, was daran neu sein soll.
Kennt man doch alles schon, und das ganz ohne versteckte Kamera und Richtmikrofon: Erinnert sei nur an den Vorschlag des Parlamentarischen Geschäftsführers der Union Thorsten Frei vom Sommer letzten Jahres, das individuelle Asylrecht gleich ganz abzuschaffen. Oder Unions-Fraktionsvize Jens Spahn, der Mitte Dezember 2023 forderte, Geflüchtete sollen doch gefälligst im 6.227 Kilometer entfernten Ruanda ihren Asylantrag stellen. Eine Praxis, die britische Gerichte bereits als „inhumane Deportation“ und das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) als „menschenunwürdig“ bezeichnet haben. Auf EU-Ebene ist – mit deutscher Zustimmung – geplant, Asylsuchende an der EU-Außengrenze bis zur Entscheidung über ihren Antrag unter Haftbedingungen in Auffanglagern zu internieren. Bei Ablehnung geht‘s dann per Flieger direkt ins Heimatland zurück. Das Bundesinnenministerium feierte das als „historischen Erfolg“ in der Migrationsfrage. An diesem Mittwoch wurde Nancy Faesers „Rückführungsverbesserungsgesetz“ beraten. Ein netter und verbindlicher Name für ein Gesetz, dass in Wahrheit „Abschiebebeschleunigungsgesetz“ heißen müsste. In seinen Einzelmaßnahmen feiert die Sprachkosmetik Höhepunkte, so heißt die nun auf 28 Tage verlängerte Abschiebehaft harmlos „Ausreisegewahrsam“.
Was in Sachen Flüchtlingspolitik aktuell zählt, sind Abschiebungen „endlich im großen Stil“ (Olaf Scholz). Wozu braucht es da noch einen „Geheimplan“? Der Hype um das Treffen in Potsdam, das merkwürdigerweise sechs Wochen gebraucht hat, um in die mediale Verwertung zu kommen, hat für die Parteien von CDU bis Grünen immerhin den aus der Not geborenen Nutzwert, der AfD wieder ein paar Wählerstimmen abzujagen. Da scheuen selbsternannte Antifaschisten auch keine sonntäglichen Minustemperaturen bei einer eilends zusammengerufenen „demokratischen Manifestation“: „Ich stehe hier als eine von Tausenden von Potsdamerinnen und Potsdamern, die einstehen für Demokratie und gegen alten und neuen Faschismus“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am 14. Januar der dpa. Da werden sogar ansonsten ganz Brave aus ihrer Langweiligkeit befreit und geben sich wortradikal, wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU): „Die AfD ist eine gefährliche Nazipartei.“
Und wenn das alles nichts mehr hilft: Es gibt ja noch das Parteiverbot. Sicher würde man diesmal alte Fehler aus den NPD-Verbotsverfahren, wie eine mit Verfassungsschutzagenten durchsetzte Führungsebene, zu vermeiden wissen. Eins allerdings wird schwierig werden: Der Nachweis, dass Forderungen der AfD zur Migrationspolitik verfassungsfeindlich sein sollen, wo doch die EU gegenwärtig Maßnahmen gleichen Inhalts durchsetzt.