„Forever War“-Fraktion schließt ihre Reihen

Galant hat ausgedient

Der Begriff „Bibi-Gate“ – als Parallele zum „Watergate-Skandal“ – ist den Sympathisanten des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu durchaus vertraut. Das erste Mal tauchte der Begriff 1993 im Zusammenhang mit einem privaten Vorfall auf, 1997 folgte ein Korruptionsskandal, in der Folge gab es weitere „Bibi-Gates“. Im aktuellen Skandal geht es um die Fälschung von Dokumenten und ihre heimliche Weitergabe an Medien, unter anderem an „Bild“ und „Jewish Chronicle“. Das Ziel der Aktion: Den öffentlichen Protest gegen die Haltung der Regierung zu einem Waffenstillstand in Gaza zu untergraben.

Die US-Regierung hatte im Sommer einen Vorschlag für einen Waffenstillstand in Gaza und den Austausch der Geiseln vorgelegt, die israelische Regierung legte aber im August weitere Forderungen nach, die nicht Teil des US-Vorschlags waren. Die wichtigste: Die israelischen Streitkräfte sollten permanent an der Grenze zwischen Gaza und Ägypten stationiert werden („Philadelphia-Korridor“). Zur Begründung der Forderung diente ein angebliches „Strategiepapier der Hamas“, das nach Ansicht vieler Experten und Kommentatoren gefälscht war. Die Geiseln sollten demnach heimlich über den „Philadelphia-Korridor“ nach Ägypten und von dort aus in den Jemen verbracht werden.

Die „Jewish Chronicle“ verbreitete in diesem Zusammenhang einen Exklusivbericht, der mittlerweile zurückgezogen wurde. Israelische Zeitungen, die den Exklusivbericht ursprünglich weiterverbreitet hatten, haben sich inzwischen wegen der Fälschungsvorwürfe davon distanziert. Der Vorgang war offenbar Teil einer Medienkampagne, die vom Büro des Ministerpräsidenten selbst ausging. Mittlerweile wurde wegen der illegalen Weitergabe geheimer Dokumente an Medien ein Verfahren gegen fünf Personen eröffnet, darunter Eli Feldstein, den Sprecher des Ministerpräsidenten.

Als Netanjahu die Forderung nach der permanenten Besetzung des „Philadelphia-Korridors“ erhob, stimmte das Kabinett fast geschlossen zu. Einzige Gegenstimme: Verteidigungsminister Joaw Galant, der im Kabinett isoliert blieb. Der Anlass, Galant aus dem Kabinett zu werfen, kam mit der Forderung des Obersten Gerichts, auch ultraorthodoxe junge Männer zum Militär einzuziehen. Sie waren bisher für das Thora-Studium von der Wehrpflicht befreit. Galant war für die Wehrpflicht, die religiösen Parteien dagegen streben ein neues Gesetz an, das die Ausnahme von der Wehrpflicht beibehält. Galant hatte zu Beginn des Krieges vorgeschlagen, Gaza völlig von jeder Versorgung abzuschneiden, um die „menschlichen Tiere“ in Gaza zu bekämpfen. Im Verlaufe des Krieges nahm er wohl die Forderung des Militärs auf, dass der Krieg ein Ende finden müsse, auch um den Preis von schmerzhaften Zugeständnissen. Beim säkularen Teil der israelischen Gesellschaft erhält Galant damit „Standing ovations“.

Sein Nachfolger Israel Katz machte zuvor als Außenminister mit dem Einreiseverbot für den Generalsekretär der UN auf sich aufmerksam. Da er keine Beziehungen zum militärischen Establishment hat, dürfte wohl Netanjahu selbst im Hintergrund die Fäden ziehen. Mit ihrer Politik des „Forever War“ festigen der Likud und Netanjahu die Unterstützung durch ihre Basis und stiegen in Umfragen wieder zu den stärksten Kräften auf – anders als die Regierungskoalition insgesamt.

In der Vergangenheit hatte sich Netanjahu Diskussionen über die zukünftige Verwaltung des Gaza-Streifens immer verweigert. Jetzt zeigt sich, warum er das nicht für nötig hielt: Die Palästinenser sollen vollständig aus dem Norden des Gazastreifens vertrieben werden.

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"Galant hat ausgedient", UZ vom 15. November 2024



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