Elf Jahre wird es noch dauern. Denn erst Grundschülerinnen und -schüler der heutigen dritten Klasse werden wieder in den Genuss einer regelmäßigen Schulzeit von 13 Jahren kommen: vier Jahre Grundschule, neun Jahre Sekundarstufe I und II.
Solange behält die Acht-Jahres-Regel ihre Wirksamkeit. Mit Beginn des Schuljahres 2019/20 wird der neunjährige Bildungsgang an Gymnasien und Gesamtschulen zur Regel. Das erste G9-Abitur kann infolgedessen wieder im Jahr 2028 gefeiert werden.
2005 hatte die schwarz-gelbe Landesregierung die einschneidende Kürzung der Schulzeit beschlossen. SPD und Grüne haben sie bis zuletzt verteidigt. Diese Politik ist abgewählt worden. Trotzdem bleibt den Schulen die Option für G8 freigestellt. Der Koalitionsvertrag von CDU und FDP plädiert immer noch dafür: (…) „wünscht ein ebenfalls ernst zu nehmender Anteil von Schülerinnen und Schülern, von Eltern und Schulleitungen G8. Für Gymnasien, die beim achtjährigen Bildungsgang verbleiben wollen, wird eine unbürokratische Entscheidungsmöglichkeit für G8 eröffnet.“ Die geringe Anzahl von Schulkonferenzen indes, die für G8 votieren, passt auf ein Feigenblatt.
Schulministerin Gebauer bedauert, dass die Einführung von G8 im Jahr 2005 „nicht dauerhaft die notwendige Akzeptanz an Schulen und in der Öffentlichkeit gefunden“ habe. So kann man die nicht nachlassenden Proteste betroffener Schüler und Eltern über Leistungsdruck und Niveauverlust verharmlosen. Das „Gesetz zur Neuregelung der Dauer der Bildungsgänge im Gymnasium“ soll endlich eine Änderung bringen. Seine Verabschiedung ist vor den Sommerferien 2018 geplant.
Der höhere Unterrichtsumfang in der Sekundarstufe I soll für die Erste Fremdsprache sowie das Fach Deutsch genutzt und gemäß BDI-Forderungen zur Stärkung von ökonomischen Kompetenzen sowie der MINT-Bildung (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) dienen. Die Landesschülervertretung wünscht sich demgegenüber eine Stärkung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer sowie eine individuell anpassbare flexible Oberstufe. Sie plädiert für die Einheitlichkeit des Bildungsgangs und kritisiert die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9. Der Ganztag dürfe nicht beeinträchtigt werden.
Ähnlich klingt es bei der GEW. Die Vorsitzende Dorothea Schäfer unterstrich anlässlich der Anhörung im Landtag: „Wir sind uns nach wie vor sicher, dass eine einheitliche Regelung für alle Gymnasien die bessere Lösung wäre anstelle einer Leitentscheidung G9 und eines Optionsmodells G8.“ Vertiefungs- und Ergänzungsstunden zur individuellen Förderung hätten sich genauso bewährt wie der gebundene Ganztag. „Sie stehen im Rahmen der sechsjährigen Sekundarstufe I nicht zur Diskussion und sollten beibehalten oder ausgeweitet werden.“ Auch die GEW fordert: „Die Verlagerung des Beginns der zweiten Fremdsprache von Klasse 7 auf Klasse 6 muss rückgängig gemacht werden“. Sie sei für das Scheitern vieler Schüler und Schülerinnen verantwortlich. Die GEW NRW fordert im übrigen eine Rückbesinnung auf die Reformideen der reformierten Oberstufe. Ziel sei die Gleichwertigkeit der Fächer und echte Wahlmöglichkeiten für die Schüler.
In der Gesetzesnovelle (Artikel 2) ist im Zusammenhang mit der Umstellung von einem Belastungsausgleich die Rede: „Ein notwendiger finanzieller Ausgleich der sich für die Gemeinden und Kreise als Schulträger durch dieses Gesetz ergebenden wesentlichen Belastungen bei den Sachkosten im Sinne des § 94 Absatz 1 des Schulgesetzes NRW wird in einem Belastungsausgleichsgesetz zu diesem Gesetz geregelt.“ Dieses Satzungetüm macht mittelbar das finanzielle Motiv deutlich, das hinter dem breit angelegten Bildungsabbau steht, der seinerzeit von der schwarz-gelben Landesregierung erzwungen wurde. In der Regel sind es die Gemeinden, die durch weitere Kosten belastet werden. Denn es werden mehr Räume notwendig, sobald die ersten Jahrgänge die Klasse 13 erreichen, 150 allein in Köln. Hochgerechnet auf das ganze Bundesland kann von mehreren tausend Klassenräumen gesprochen werden, ob und wenn ja durch wen die gebaut werden, ist offen. Da bietet sich die neue Form von ÖPP an, um den Investoren lukrative Anlagemöglichkeiten zu geben.
Den Mehrbedarf an Lehrerstellen gibt das Ministerium mit 2 300 an, wie dieser binnen weniger Jahre aufgefangen werden soll, ebenfalls offen. Sonst gibt es eben bis in die Oberstufe hinein überfüllte Klassen und überforderte Lehrkräfte, sei es drum.
Es war der andauerrnde und anschwellende Druck der betroffenen Schüler und Eltern, zuletzt in Gestalt des Volksbegehrens aus der Elternschaft der Gymnasien, der eine Umkehr erzwungen hat.
Ob die Rückkehr zum G9-Modell tatsächlich zu Gunsten der Schülerinnen und Schüler und zu gutem Unterricht führen wird, hängt vom weiteren Druck der Betroffenen ab.