G7-Staaten beschließen neue Russland-Sanktionen, Waffen für die Ukraine, verschärfen Konfrontation mit China – Länder des Globalen Südens verweigern Gefolgschaft

G7 allein in der Welt

Der Westen beliefert die Ukraine für den NATO-Stellvertreterkrieg mit noch mehr und noch schwereren Waffen, zugleich wird der Wirtschaftskrieg gegen Russland ausgeweitet und der Konfrontationskurs gegen die Volksrepublik China verschärft. Auf diesen kurzen Nenner lassen sich die Ergebnisse des G7-Gipfels in Japan bringen.

„Nie wieder Krieg“ – so lautet die Maxime der japanischen Friedensstadt Hiroshima, die am 6. August 1945 durch eine US-Atombombe verwüstet wurde. Die gemeinsame Gipfelerklärung der Regierungschefs der sieben wirtschaftlich stärksten imperialistischen Mächte – unter Führung der USA Deutschland, Frankreich, Britannien, Italien, Kanada sowie die EU – führt diesen Friedenswillen ad absurdum. Sie proklamieren, ihre „diplomatische, finanzielle, humanitäre und militärische Unterstützung für die Ukraine“ zu verstärken. US-Präsident Joseph Biden macht den Weg frei für gemeinsame Ausbildungsprogramme für ukrainische Soldaten an modernen US-Kampfjets vom Typ F-16. Die Lieferung der Maschinen ist dann nur noch eine Frage der Zeit.

Der ukrainische Präsident Wladimir Selenski ist eigens zu dem Treffen eingeflogen worden, kann den Zuspruch mithin als persönlichen Erfolg mit nach Hause nehmen. Allein, pünktlich zum Gipfelwochenende verkündete Russland nach 15-monatigen verlustreichen Kämpfen die komplette Einnahme der Stadt Artjomowsk. Selenski persönlich hatte gegen die Stimmen seines Militärs befohlen, die symbolträchtige Stadt nicht aufzugeben. Und auch das Ziel, starke Länder des Globalen Südens wie Indien und Brasilien, die als Gäste nach Hiroshima geladen waren, auf die Seite der USA und der Ukraine zu ziehen, ist gescheitert.

Die G7 wollen fortan gegen „wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen“ vorgehen – gemeint sind Reaktionen Chinas auf politische Attacken etwa Australiens oder des EU-Mitglieds Litauen. Nicht gemeint sind selbstredend die Wirtschaftssanktionen der EU oder der USA gegen politisch nicht genehme Länder. Gegenüber China solle eine wirtschaftspolitische „Risikominimierung“ (De-Risking) verfolgt werden – das Wording ersetzt Washingtons „Decoupling“ (Entkopplung), läuft am Ende aber auf dasselbe hinaus. Das künftige Verhältnis gegenüber der Volksrepublik lasse sich in einem Satz zusammenfassen, so der „Spiegel“: „Gerade so offen wie nötig, so unabhängig wie nur möglich.“ Die weitere Konfrontation ist im Kommuniqué angelegt. Unter anderem heißt es da: „Wir sind weiterhin ernsthaft besorgt über die Lage im Ost- und Südchinesischen Meer. Wir wenden uns entschieden gegen alle einseitigen Versuche, den Status quo mit Gewalt oder Zwang zu verändern. (…) Es gibt keine Rechtsgrundlage für Chinas expansive maritime Ansprüche im Südchinesischen Meer, und wir lehnen Chinas Militarisierungsaktivitäten in der Region ab.“ Und weiter: „An den grundlegenden Positionen der G7-Mitglieder zu Taiwan, einschließlich der erklärten Ein-China-Politik, hat sich nichts geändert. Wir rufen zu einer friedlichen Lösung der Probleme in der Taiwanstraße auf.“ Frieden und Stabilität dort seien „unverzichtbar für Sicherheit und Wohlstand in der internationalen Gemeinschaft“.

Während die G7-Staaten den Stellvertreterkrieg mit immer neuen Waffenlieferungen nähren und in der Abschlusserklärung weder eine Waffenruhe noch eine Verhandlungslösung angemahnt wird, rufen sie China auf, zu einer friedlichen Beilegung des Krieges in der Ukraine beizutragen. Wohlweislich nehmen die G7 keinen Bezug auf die Vermittlungsinitiative der Volksrepublik. China soll die westliche Maxime übernehmen und Russland drängen, seine „militärische Aggression einzustellen und seine Truppen unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus der Ukraine abzuziehen. Wir ermutigen China, einen umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden auf der Grundlage der territorialen Integrität und der Grundsätze und Ziele der UN-Charta zu unterstützen, auch durch seinen direkten Dialog mit der Ukraine.“ Das grenzt freilich an Realitätsverweigerung, ist es doch China, das gerade einen Sondergesandten in die Ukraine und nach Russland geschickt hat.

China reagiert denn auch deutlich und mit Recht verärgert auf die wohlfeile Kritik des imperialen Westens. Die Äußerungen in der G7-Erklärung seien eine „Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas“. Die G7-Staaten singen das Lied einer friedlichen Welt, gleichzeitig aber „unterdrücken sie die Entwicklung anderer Länder“ und beeinträchtigen Frieden und regionale Stabilität. Die G7 seien eine kleine Gruppe, die den „eigennützigen Interessen“ der USA diene, so ein Sprecher des chinesischen Außenamts. Die chinesische Botschaft in Japan äußert, der Gipfel der G7 habe eine Blockpolitik angezettelt. Die Gruppe müsse aufhören, Konfrontation und Spaltung zu verbreiten.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow konstatierte knapp und nüchtern, die G7-Beschlüsse hätten das Ziel, Russland und China „zu zügeln“. Brasilien reagierte „genervt“ auf die penetranten Versuche der G7-Staaten, im Ukraine-Konflikt eine Position einzunehmen, die eher der Kiews entspricht. Präsident Lula da Silva ging nicht in die G7-Falle und ließ sich in Hiroshima nicht zu einem direkten Treffen mit „Überraschungsgast“ Selenski drängen. Indiens Premier Modi warb für eine Friedenslösung.

„Die internationale Koalition an der Seite der Ukraine ist nicht größer geworden“, resümiert der Schweizer Sender SRF. „Der westliche Bedeutungsverlust ist unübersehbar.“

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"G7 allein in der Welt", UZ vom 26. Mai 2023



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