Daimler hat wieder mal glänzende Zahlen verkündet: Im ersten Halbjahr 2021 eine Traumrendite von 8,1 Milliarden Euro, allein im 2. Quartal waren es 5,2 Milliarden – und dies trotz Pandemie und trotz Lieferproblemen bei Halbleitern. Vor einem Jahr sah das noch ganz anders aus. In der Bilanz stand zum Halbjahr ein Minus von 1,7 Milliarden Euro. Der Umsatz in den ersten sechs Monaten ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel gestiegen – auf rund 85 Milliarden Euro.
Die Erfolgsmeldungen ziehen sich durch alle Sparten. Die Umsatzrendite von „Mercedes Cars“ beträgt im ersten Halbjahr stolze 13,7 Prozent. Selbst das chronisch schwache Lkw-Geschäft zieht zurzeit kräftig an. So konnten mehr als 218.000 schwere Sattelschlepper und Busse verkauft werden – ein Plus von 38 Prozent. Davon das Gros im 2. Quartal – der Absatz stieg um 91 Prozent.
Also alles gut? Ja, für die Kapitalseite eine glänzende Entwicklung nach den Einbrüchen im ersten Halbjahr 2020. Doch wie sieht es für die Belegschaft aus? Wird nun weniger „gespart“ oder weniger Personal abgebaut? Natürlich nicht. Denn genau das Spar- und Personalabbauprogramm des Daimler-Vorstandes von 2020 hat diese Profite eingefahren.
Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht forderte den Daimler-Vorstand auf, Teile dieses „Sparprogramms“ zurückzunehmen. „Wenn wir volle Auftragsbücher haben und die Gewinne sprudeln, wie soll die Belegschaft da Verständnis haben für Sparmaßnahmen, die über Jahre laufen sollen?“, so Brecht in der „Automobilwoche“. Doch Daimler-Chef Ola Källenius machte unmissverständlich klar, dass er nicht aufhören wird zu „sparen“. In der Pandemie sind die Konzernvorstände auf den Geschmack gekommen, immer weitere Einschnitte von den Belegschaften abzufordern. Haben doch zu Beginn Betriebsräte und Gewerkschaft allzu oft bereitwillig mitgemacht. Dies wird jetzt ausgenutzt.
Diese Maßnahmen und der Personalabbau zeigen im Mercedes-Benz-Werk Untertürkheim schon deutliche Auswirkungen. In etlichen Bereichen herrscht akuter Personalmangel, so in der Logistik und im Technischen Service. In der Betriebszeitung „Scheibenwischer“ beschreibt der zuständige Betriebsrat die Situation in der Logistik so: „Berge von Arbeit, aber keine Leut, keine Leut. Das Wort ‚Mangel‘ beschreibt die aktuelle Lage in der Logistik wohl leider am Besten.“ Personal sei in den Kostenstellen „Mangelware“. In den Bereichen könne im Moment nur auf Sicht gefahren werden, planen könne man kaum. „(E)ine Besserung ist auch für das dritte und vierte Quartal noch nicht in Aussicht.“ Die Kolleginnen und Kollegen in der Logistik würden sich an Bergen von Arbeit aufreiben – „Stress und Hektik bestimmen den Arbeitsalltag“, heißt es in der Betriebszeitung „Scheibenwischer“.
Im Technischen Service zeige sich ein ähnliches Bild, so der Betriebsratsvorsitzende Michael Häberle: „Die vermeintliche Lösung des Managements für den Personalmangel: Fremdvergabepläne für ganze Bereiche schmieden! Hier kann nur von einer bewusst und künstlich erzeugten Mangelverwaltung die Rede sein – ein Armutszeugnis für das Personalmanagement.“
Auch im Werksteil Sirnau steht Personalabbau an. Er soll verkauft werden. Bis Jahresende bedeutet dies einen Arbeitsplatzabbau von etwa 85 Arbeitsplätzen. Bis 2025 soll der Bereich von einst 200 Beschäftigten auf circa 50 Beschäftigte geschrumpft werden.
Alternativen für diese Kolleginnen und Kollegen werden von der Werksleitung nicht aufgezeigt, obwohl es sowohl in der Logistik, in der Instandhaltung sowie im Werkzeugbau akuten Personalmangel gibt und die Kollegen dort sehr willkommen wären. Die Schließung ist für die Kolleginnen und Kollegen auch nicht nachvollziehbar, weil die Werksleitung immer über Platznot jammert und Verlagerungen von Produkten an andere Standorte mit fehlendem Platz begründet. Hier wird ohne Not „Platz“ verkauft.
Diese wenigen Beispiele zeigen, wie die Kapitalseite ihre Pläne durchzieht – weiter Personal abbaut, Fremdvergabe vorbereitet, Standorte schließt – damit die Profite weiter sprudeln. Für die Kolleginnen und Kollegen nehmen der Stress und die Hektik zu, ebenso wie Unsicherheit und Zukunftsängste. Die Beschäftigten bezahlen mit ihrer Gesundheit.
Auch die Kurzarbeit nimmt wieder zu, diesmal wegen fehlender Halbleiter, Container, Holz und Kartonagen – Auswirkungen der Planlosigkeit einer globalisierten kapitalistischen Industrie. Planlosigkeit auch im Produktionsprogramm – es gibt Hallen, wo ein Teil der Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit ist, während andere Überstunden schieben. Die Planungen sind so kurzfristig, dass die Beschäftigten oft nicht rechtzeitig informiert werden können, ob es Kurzarbeit oder Arbeit gibt.
Dies zeigt einmal mehr, dass dieses Wirtschaftssystem, in dem der Profit über alles regiert, überholt ist und abgeschafft gehört.