Ein Jahr Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in Berlin

Für was steht eigentlich das „E“?

Knapp 60 Prozent der Berlinerinnen und Berliner hatten am 26. September 2021 für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ (DWE) gestimmt. Oder, um es genau zu formulieren, für den „Volksentscheid über einen Beschluss zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs durch den Senat zur Vergesellschaftung der Wohnungsbestände großer Wohnungsunternehmen“. Ein Jahr später haben die Initiatoren des Volksentscheids nach eigenen Angaben die „Faxen dicke!“: „Die Berliner*innen haben mit eindeutiger Mehrheit entschieden, die großen Immobilienkonzerne aus der Stadt zu verbannen. Doch statt die Umsetzung voranzubringen bremst der Senat nur.“ Tatsächlich ist ein Jahr später nicht in Sicht, dass der Berliner Senat, der sich aus SPD, Grünen und Linkspartei zusammensetzt, dem Volksentscheid Rechnung trägt. Im Gegenteil. Deshalb haben die DWE-Aktivisten für Samstag, den 24. September, zur „großen Vergesellschaftungsfete“ am Rosa-Luxemburg-Platz geladen.

An diesem Ort war es auch, an dem einen Monat zuvor im Rahmen des UZ-Pressefestes die Frage diskutiert wurde, ob die DWE-Kampagne nicht in eine Sackgasse geführt habe. Selbst der anwesende Vertreter der Kampagne bejahte dies und war der Auffassung, dass dies auch nicht anders zu erwarten gewesen sei. Doch sei DWE zu einer breiten sozialen Bewegung geworden, die die Forderung nach Enteignung zu einem viel diskutierten Thema gemacht habe.

Dem widersprach Stefan Natke, Landesvorsitzender der DKP Berlin, zumindest teilweise. Zwar habe die Kampagne die Forderung nach Enteignung salonfähig gemacht, verwässere den Begriff aber zugleich. Entschädigungssummen von 34 Milliarden Euro seien genannt worden, die Immobilienkonzerne hätten sogar noch mehr verlangt. Letztendlich werde die Höhe der Entschädigungssumme von einem bürgerlichen Gericht festgelegt. Zudem handele es sich bei vielen der in Frage kommenden Wohnungsbestände der Konzerne, die durch den Volksentscheid in die öffentliche Hand überführt werden sollen, um einen Rückkauf. Diese Bestände seien vor Jahren vom rot-roten Senat zu Spottpreisen privatisiert worden.

Natke betonte, dass die Alternative dazu, den Immobilienkonzernen alten, renovierungsbedürftigen Bestand abzukaufen, sei, kommunalen Wohnungsbau durchzuführen. So könne neuer, hochwertiger, menschenfreundlicher und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, ohne den Investoren Geld in den Rachen zu schmeißen. Denn um wirkliche, entschädigungslose Enteignungen durchführen zu können, brauche man die Macht im Staat.

Letztendlich konnte man sich auf dem Podium nicht darauf einigen, ob die DWE-Kampagne sich in „Deutsche Wohnen & Co. entschädigen“ umbenennen sollte oder ob die Kommunisten ihren Enteignungsbegriff mit dem Hinweis „entschädigungslos“ versehen müssen. Klar ist jedoch, dass zur Durchsetzung einer Wohnungspolitik im Interesse der Menschen die Kräfteverhältnisse verändert werden müssen. Der Streit um den besten Weg, dies zu erreichen, geht weiter.

Wohnraum erwerben oder enteignen?
Wie kommen kommunale Wohnbaugesellschaften zu mehr Wohnraum? Neubau ist eine Möglichkeit, Erwerb oder Enteignung von Wohnungen von Konzernen eine andere. Wie positionieren sich Kommunistinnen und Kommunisten zu diesen Möglichkeiten? Das soll auf beim nächsten beim Kommunalpolitischen Ratschlag der UZ-Redaktion diskutiert werden.
Der Ratschlag findet online am Mittwoch, den 12. Oktober, um 19.30 Uhr statt. Interessierte Mitglieder der DKP sind dazu herzlich eingeladen. Die Zugangsdaten können angefordert werden bei: werner.sarbok@unsere-zeit.de

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"Für was steht eigentlich das „E“?", UZ vom 23. September 2022



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