Während auch auf EU-Ebene an der weiteren Abschottung gegen Flüchtlinge gearbeitet wird, warnen deutsche Wirtschaftskreise davor, das Schengen-System in Frage zu stellen. Dauerhafte Kontrollen an den Binnengrenzen der EU beeinträchtigten die zuvor „ungehinderte grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit“ und wären mit erheblichen Kosten für Industrie und Handel verbunden, warnen die Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Die Flüchtlingsabwehr müsse anderweitig organisiert werden – durch eine „wirksame Sicherung der EU-Außengrenzen“, durch die „Bekämpfung der Fluchtursachen“ oder auch durch „bilaterale Absprachen mit den wichtigsten Transitländern“.
Hintergrund sind Geschäftseinbußen auf verschiedenen Ebenen, die der Wirtschaft bei einer dauerhaften Wiedereinführung von Grenzkontrollen drohen. So klagen Unternehmen aus den Grenzregionen zu Österreich über gravierende Einbußen schon durch die aktuellen Schengen-Einschränkungen.
Hinzu kommen kostspielige Auswirkungen auf die Transportbranche. „Wartezeiten von eineinhalb Stunden“ seien an der deutsch-österreichischen Grenze „mittlerweile die Norm“, heißt es beim Ifo-Institut in München. Das wirkt sich nicht nur auf regionale Spediteure, sondern auf sämtliche Firmen aus, die den Straßentransport zwischen Deutschland einerseits, Österreich, Ungarn und den Ländern Südosteuropas andererseits durchführen; über die deutsch-österreichische Grenze werden rund 15 Prozent des gesamten deutschen Außenhandels abgewickelt. Einen ersten Eindruck davon, welche Kosten entstehen, gibt eine Berechnung der EU-Kommission, die in Wirtschaftskreisen kursiert. Demnach ergäbe bei jährlich rund 57 Millionen internationalen Straßentransporten in der EU eine lediglich einstündige Wartezeit bei jedem Transport, lege man Stundenkosten von 55 Euro zugrunde, Mehrausgaben von über drei Milliarden Euro allein im Straßengüterverkehr.
Wirtschaftsverbände weisen darauf hin, dass mit zusätzlichen Kosten auch deswegen zu rechnen wäre, weil die Wartezeiten an der Grenze auch internationale Lieferketten träfen – und damit die auf einen reibungslosen Ablauf angewiesene Just-in-time-Produktion großer Konzerne. Betroffen wären nicht zuletzt Standorte deutscher Unternehmen etwa aus der Automobilbranche in Ost- und Südosteuropa.
Die Belastungen wögen vor allem im deutschen Falle schwer. Im vergangenen Jahr ist es der Bundesrepublik gelungen, ihre Ausfuhren auf rund 1,2 Billionen Euro zu steigern. Zu den Handelsvorteilen, die dies möglich gemacht haben, gehören die Kostenerleichterungen des Schengen-Systems.