Auch Schüler sollen „kriegstüchtig“ werden. Im kaputtgesparten Bildungssystem sucht die Bundeswehr nach neuen Rekruten

Für friedensfähige Schulen

Hannes Kramer ist Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und Kandidat der DKP für die Wahlen zum EU-Parlament. UZ sprach mit ihm über den Zusammenhang von Bildungsmisere, Sozialabbau und Militarisierung an den Schulen.

UZ: Du bekommst das Elend im Bildungssystem täglich mit. Wie schätzt du die aktuelle Situation ein?

Hannes Kramer: Ich bin selbst erst seit Kurzem mit der Schule fertig und arbeite derzeit an einer Förderschule. Ich weiß also aus eigener Erfahrung und auch durch meinen Freundeskreis und die Arbeit in der SDAJ, wie es um die deutschen Schulen steht. Viele Lehrerinnen und Lehrer fehlen, oft fällt der Unterricht aus. Die Gebäude zerbröckeln, wenn man sie schief anschaut. Ich bekomme auch mit, dass sich viele Schüler ohne finanzielle Hilfe die Klassenfahrt oder das für den Unterricht nötige Endgerät nicht leisten können. Immer mehr Schülerinnen und Schüler müssen neben der Schule einen Job machen, um sich zu finanzieren.

UZ: Seit vielen Jahren ist bekannt, dass es erhebliche Missstände gibt. Aber es scheint immer schlimmer zu werden …

Hannes Kramer: Bildung ist der erste Punkt, bei dem bundesweit gespart wird. Das sieht man auch wieder im aktuellen Haushalt. Den Herrschenden ist die Bildung egal, solange sie ihren Zweck erfüllt, nämlich junge Menschen für den Arbeitsmarkt vorzusortieren und einem ideologischen Drill zu unterziehen. Das geschieht unter Berufung auf EU-Richtlinien zur „Wettbewerbsförderung“ oder zur „erhöhten Vergleichbarkeit“. Dadurch wird das Prinzip des Bulimielernens verstärkt, also des Lernens, nur um es möglichst schnell wieder auf eine Seite zu spucken. Jedes Jahr zerbrechen Schülerinnen und Schüler an dem Druck, leiden unter unzähligen psychischen Problemen und bekommen keine Hilfe angeboten. Das muss aufhören! Wir brauchen ein Bildungssystem, das auf Verständnis der Welt, auf Lernen für das ganze Leben ausgelegt ist und nicht auf Wettbewerb und die Interessen der künftigen Arbeitgeber. Aktuell erleben wir eine weitere Offensive auf dieses marode Schulsystem voller Schülerinnen und Schüler mit Zukunftsängsten. Die sind durch die Corona-Pandemie gegangen, wissen nicht, wo sie eine akzeptable Arbeit finden sollen, und jetzt wird ihnen Tag für Tag erzählt, dass ein Krieg droht und Deutschland aufrüsten muss.

UZ: Wie wirkt sich die Kriegspropaganda an den Schulen aus?

210402 Hannes Kramer - Für friedensfähige Schulen - Bildung, Direktkandidat, EU-Wahl 2024, Militarisierung, SDAJ, Sozialabbau - Politik
Hannes Kramer

Hannes Kramer: Den Schülern wird klargemacht, dass ihre Interessen bitte zurückzustehen haben. Die deutsche Armee ist auf Nachwuchssuche, sie tritt vermehrt an Schulen auf, hält Unterrichtsstunden, in denen vom Zwang zur Kriegsvorbereitung erzählt wird. Soldaten bieten Berufsberatung an und versprechen jungen Menschen Kameradschaft, Geld und Perspektiven, die Schüler woanders nicht sehen und auch nicht sehen sollen. Zudem wird ihnen erzählt, dass sie bei der Verteidigung des Vaterlandes mitwirken und „Feinde der Demokratie“ bekämpfen können. Diese Offensive fällt mit dem Bestreben der Herrschenden zusammen, Deutschland wieder kriegstüchtig zu machen, um gegen die „systemischen Rivalen“ vorzugehen. Dafür ist eine Formierung der Gesellschaft notwendig. Die Bevölkerung soll für den Kriegskurs auf Linie gebracht werden. Wir sollen den Frieden nicht mehr als Perspektive sehen, den weiteren Raub am Sozialsystem hinnehmen und abnicken. Ganz nach der Logik: „Wir haben nur Geld für Kanonen oder Butter.“ Milliarden für die Rüstung stehen sofort zur Verfügung, während die Schulen zerbröckeln. Das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen steht dabei nicht auf der Tagesordnung. Die eigentliche Bildungsarbeit wird auf das Nötigste reduziert. Und in diesem ruinierten Bildungssystem sollen nun Rekruten für die zukünftigen Kriege gefunden werden.

UZ: Gelingt das?

Hannes Kramer: Leider haben sie damit bisher Erfolg. Im letzten Jahr hat sich die Zahl der minderjährigen Rekruten drastisch erhöht. Darum ist es mir sehr wichtig, mich für eine gute Bildung für alle und gegen diese krasse Militarisierung der Schulen durch die Bundeswehr einzusetzen. Ich kämpfe für eine Bildung, die uns friedensfähig und nicht kriegstüchtig macht. Darum: Wählt am 9. Juni die DKP!

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"Für friedensfähige Schulen", UZ vom 24. Mai 2024



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