Am 23. und 24. Januar tagte der Parteivorstand (PV) der DKP. Wir dokumentieren hier den Hauptteil des Referats von Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, zu Fragen des Friedenskampfes und den Aufgaben der DKP in der Friedensbewegung.
Olaf Harms referierte auf dieser PV-Tagung zu den politischen und ökonomischen Entwicklungen im Staatsmonopolistischen Kapitalismus. Er leitete daraus Schwerpunkte für das Eingreifen der DKP in den kommenden Klassenkämpfen ab. Beide Referate sind in den DKP-Informationen nachzulesen.
Für die Friedensbewegung war es in den letzten Jahren entscheidend, dass sie im Wesentlichen alle Tendenzen zur Äquidistanz zurückgewiesen hat. Sie tat das, weil die Tatsachen eine sehr deutliche Sprache sprechen. Die Rüstungsausgaben der NATO, allen voran des US-Imperialismus, übersteigen die der Russischen Föderation um ein Vielfaches, sie liegen erheblich über denen der VR China und sie übertreffen selbst die Summe aus beiden sehr deutlich.
Nach der Konterrevolution in den europäischen sozialistischen Ländern war es die NATO, die wortbrüchig ihr Einflussgebiet nach Osten, an die russische Grenze verschoben hat. Die USA haben unter Obama das Pazifische Jahrhundert ausgerufen. Sie meinen damit, ähnlich wie jetzt Deutschland mit den Indo-Pazifischen Leitlinien, vor allem die Umzingelung der VR China.
Diese friedensgefährdende Strategie wird auch an der Frage der Atomwaffen deutlich. Die Arsenale der NATO-Staaten übersteigen zahlenmäßig die Potentiale von Russland und der VR China bei weitem. Der Anteil an Atomwaffen, der direkt das Territorium der Russischen Föderation und der VR China bedroht, ist ungleich höher als die Bedrohung des Territoriums der USA. Beim Vertrag über die Begrenzung der Mittelstreckenraketen steckte dahinter, dass man die VR China in solch ein Begrenzungsabkommen zwingen will. Hier geht es nicht um Abrüstung, sondern darum, die Möglichkeiten der VR China zu begrenzen, die seegestützten Potentiale der USA in Schach zu halten – ein sehr durchsichtiges Manöver.
Wenn Kräfte den Standpunkt vertreten, China, Russland, NATO – alles dasselbe, dann verkennen diese entweder die Realität oder sie unterstützen die Orientierung der führenden Imperialisten und ihres Militärbündnisses NATO. Mit Freundinnen und Freunden, die die Realität verkennen, müssen wir geduldig und überzeugend argumentieren und diskutieren. Natürlich sind sie uns in gemeinsamen Kämpfen, in der Friedensbewegung willkommen. Auf der anderen Seite, und das ist der zweite Aspekt, müssen wir mit aller Kraft darum kämpfen zu verhindern, dass Positionen der Äquidistanz in der Friedensbewegung an Einfluss gewinnen. Es würde sie zahnlos, gegebenenfalls sogar anfällig dafür machen, Opfer der Integrationsstrategie des Imperialismus zu werden. Diese Versuche gibt es immer wieder.
Widersprüche im Lager der Herrschenden
Die Friedensbewegung als auch wir müssen die Unterschiede im Lager der Herrschenden sehr genau wahrnehmen. Etwa diejenigen zwischen dem neuen CDU-Vorsitzenden Laschet und seinen Kontrahenten Merz und Röttgen. Nicht mit der Illusion, dass Laschet zum Kämpfer für Frieden und Abrüstung wird. Allerdings werden Unterschiede zwischen Kapitalfraktionen offensichtlich, die für die Frage der Friedenserhaltung große Bedeutung haben können. Genau das spiegelt sich in den Diskussionen um North Stream 2 wider. Es ist eben keinesfalls egal, ob zwischen der NATO-BRD und Russland Handel betrieben wird oder nur Aggression herrscht. North Stream 2 spielt eine zentrale Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen der Kapitalfraktion der aggressiven Atlantiker und der weniger aggressiven Fraktion, die auf halbwegs vernünftige Beziehungen zur Russischen Föderation und zur VR China setzt. Natürlich tun sie das nicht aus allgemein-menschlicher Friedfertigkeit, sondern in der Regel aus Gründen ihrer Profitinteressen. Die „Grünen“ haben sich hier völlig auf die Seite der aggressiven Atlantiker geschlagen. Leider lassen sich hier Teile von „Fridays for Future“ instrumentalisieren, die Anfang des Jahres gegen den Bau protestierten. Ihre Aussage, „Dass die Landesregierung (…) den Ausbau der Pipeline Nordstream 2 vorantreiben möchte, ist eine Frechheit! Erdgas ist keine Brückentechnologie, sondern, genau wie Kohle, ein fossiler Energieträger“, ist noch dazu ein Schlag ins Gesicht von Millionen Mietern und „kleinen“ Hauseigentümern.
Dass nun eine Mehrheit des EU-Parlaments die Nawalny-Klamotte nutzt, um ebenfalls gegen North Stream 2 zu schießen, vervollständigt diese unselige Koalition.
Diese Widersprüche müssen wir analysieren und die Tendenzen im politischen Lager wahrnehmen. Die der CDU habe ich benannt. Zu einer Speerspitze der außenpolitisch aggressivsten Teile des deutschen Monopolkapitals werden immer mehr die „Grünen“. Im Unterschied zur Sozialdemokratie können sie Hemmnisse, die in ihrer eigenen Tradition liegen, sehr viel einfacher überwinden. Dazu nutzt ihnen die ideologische Instrumentalisierung des „Menschenrechts-Imperialismus“, der bei ihnen schon gegen den realen Sozialismus in Europa existierte.
Linkspartei verabschiedet sich vom Friedenskampf
Offensichtlich soll in bestimmte Strategievarianten des deutschen Imperialismus perspektivisch die Linkspartei eingebunden werden. Das ist der Hintergrund für die in immer kürzerer Zeit wiederkehrenden Angriffe auf den sogenannten „friedenspolitischen Konsens“. Es gibt unter den führenden Mitgliedern der Linkspartei eine Gruppe, die mit diesem Konsens schon lange gebrochen hat und jetzt immer wieder die Verlockung von SPD/„Grüne“/Linkspartei-Konstellationen benutzt, um diesen Bruch in der Linkspartei mehrheitsfähig zu machen und zu verankern. Kernstück dabei ist die Bejahung der NATO und der EU.
Dieser Tage veröffentlichte der Sicherheitspolitische Sprecher der „Linken“-Bundestagsfraktion, Matthias Höhn, zeitgleich im „Spiegel“ und in seiner Fraktion ein Papier, in dem sich dieses Zitat findet: „Die EU muss sich als politischer Akteur mit eigenständigen Interessen, Zielen und Werten verstehen und auch als solcher agieren. Dies kann und wird immer wieder zu Interessenkonflikten, auch mit den Vereinigten Staaten, führen. Wer Sicherheitspolitik im europäischen Interesse und aus europäischer Perspektive machen will, kommt darum nicht herum. Für die ‚Linke‘ folgt daraus die Aufgabe, sich ernsthaft über Ziele und Mittel einer europäischen Sicherheitspolitik zu verständigen. Der alleinige Appell zu Frieden und Abrüstung macht die EU noch lange nicht sicherheitspolitisch handlungsfähig. Die Menschen erwarten mehr.“
Lange Zeit war die Linkspartei der parlamentarische Arm der Friedensbewegung. Diese Zeit geht zu Ende oder ist bereits zu Ende. Respekt vor dem Kampf aller Genossinnen und Genossen in der Linkspartei gegen diese Entwicklung, aber sie wird nicht mehr grundsätzlich aufzuhalten sein.
Ideologische Aufgaben der DKP in der Friedensbewegung
Umso wichtiger ist, dass wir klar bestimmen, was wir als notwendige Inhalte in den Kampf der Friedensbewegung hineintragen wollen:
Da ist erstens unsere Einschätzung, dass es sich bei der NATO um das aggressive Kriegsbündnis des Imperialismus handelt, dass wir den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und den Abzug aller NATO-Strukturen aus der Bundesrepublik fordern. Natürlich machen wir dabei die Frage eines NATO-Austritts nicht zur Gretchenfrage – sie ist kein Konsens in der Friedensbewegung –, wir unterlassen aber nicht, darauf hinzuweisen, dass Forderungen wie „Auflösung der NATO“ dazu dienen, sich um die grundsätzliche Kritik an der NATO und der Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO herumzudrücken.
Da ist zweitens unsere Forderung nach Frieden mit Russland und der VR China. Auch diese Losung machen wir nicht zur Gretchenfrage, verlangen keineswegs, dass dies als Losung von der Friedensbewegung übernommen wird, aber wir verteidigen die Analyse der Friedensbewegung, die die Aggressionspolitik der NATO und die Stoßrichtung der NATO, vor allem gegen die Russische Föderation, als Hauptgefahr für den Frieden sieht.
Drittens sehen wir die Regime-Change-Politik der führenden Imperialismen und der NATO als Aggression gegen Staaten, die sich weigern, nach der imperialistischen Pfeife zu tanzen. Diese Regime-Change-Politik ordnet sich oft in die Einkreisungspolitik gegenüber der VR China und der Russischen Föderation ein, kann aber auch andere Hintergründe, wie im Beispiel Venezuelas auch die Ausblutung Kubas, haben. Diese Regime-Change-Politik versucht in der Regel, innere Widersprüche für das Schüren von bewaffneten Auseinandersetzungen und Kriegen zu nutzen. Sie bedient sich in der Regel der Methode des Menschenrechtsimperialismus. Meist versucht sie mit einer gnadenlosen Blockadepolitik, die Ökonomien betroffener Nationen zu sabotieren, die soziale Lage der Menschen zu zerstören, um auch damit Unruhen und Instabilität zu befördern. In Kauf genommen wird dabei auch die Zerstörung staatlicher Institutionen. Dem Imperialismus ist ein „failed state“ lieber als einer, der nicht nach seiner Pfeife tanzt.
Kampf gegen die Atomwaffen in Büchel
Die Bundeswehr plant über 130 neue Bomber anzuschaffen, darunter 40 F-18-Bomber, von denen wiederum 30 in der Lage sein sollen, Atomwaffen zu transportieren. Diese Atomwaffen lagern in Büchel. Es sind US-Atomwaffen, die im Rahmen der sogenannten „nuklearen Teilhabe“ durch Bundeswehrpiloten gegen Russland zielen. Neben der Aggression gegen Russland steht dies für eine Variante des Griffs des deutschen Imperialismus nach Atomwaffen. Der Kampf gegen dieses Bomberprogramm hat für uns in der nächsten Zeit große Bedeutung. Wir werden auch in diesem Jahr den Aktivitäten in Büchel für den sofortigen Abzug der Atomwaffen eine zentrale Bedeutung geben.
Viertens meinen wir, dass es notwendig ist, den Kampf gegen das Bomberprogramm, für den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, zu einem Schwerpunkt des Bundestagswahlkampfs zu machen, um eine Situation zu schaffen, die es jeder Bundesregierung, egal welcher Zusammensetzung, schwer macht, dieses Programm umzusetzen. Am Freitag ist der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen in Kraft getreten. Dieser Vertrag wurde von der UN-Generalversammlung beschlossen und von 84 Staaten ratifiziert, nicht von der Bundesrepublik – ein weiteres Indiz dafür, dass der deutsche Imperialismus die Frage von Atomwaffen beim Kampf um die Erhöhung seines Einflusses sehr wohl einbezieht. Eigentlich wäre das Inkrafttreten dieses Vertrages ein Anlass zur Freude, für uns muss es ein Anlass zur Intensivierung des Kampfes gegen Atomwaffen und Hochrüstung sein – Büchel dichtmachen!
Gemeinsame Aktion – kritische Diskussion
Im Zusammenhang mit unseren Aktivitäten im Friedenskampf, mit unserer Mitarbeit in der Friedensbewegung gab es vor einigen Wochen eine Diskussion um einen Kommentar in der UZ, der sich mit dem „Frankfurter Appell“ auseinandersetzte. Es ging dabei, wie so oft in der Bündnispolitik, um die Frage der Breite und um die Frage des inhaltlichen Konsenses. Wie jeder andere Bündnispartner haben wir die Pflicht, uns in einer offenen Diskussion solidarisch einzubringen und unseren Standpunkt zu verdeutlichen. Das hat mit Schulmeisterei gar nichts zu tun. Wir begrüßen es sehr, dass die Breite der Organisationen, die zum Beispiel den Aufruf „Abrüsten statt Aufrüsten“ unterstützen, wächst, und wir begrüßen es noch mehr, dass dies vor allem auch für die Gewerkschaftsbewegung gilt. Andererseits wäre es für die Friedensbewegung selbst problematisch, wenn dies mit Zugeständnissen in Richtung Äquidistanz erkauft würde. Es wird ja in Permanenz von außen und innen, von Medien und Herrschaftsapparat, Druck auf die Friedensbewegung ausgeübt.
Das war in der Friedensbewegung der 1980er Jahre nicht anders. Dort hatte der „Krefelder Appell“ eine klare Stoßrichtung gegen die Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenraketen in Europa. Sie waren in der Lage, das Territorium der Hauptmacht des Warschauer Vertrages, also die Sowjetunion, zu erreichen. Deswegen waren die Mittelstreckenraketen der Sowjetunion eben nicht gleichrangig, sie konnten die USA nicht erreichen. Diese klare Stoßrichtung des „Krefelder Appells“ war den Herrschenden ein Dorn im Auge, mit ihnen Teilen der Sozialdemokratie und der Maoisten, allen voran die MLPD und ihre Vorgängerorganisation. Immer wieder wurde versucht, die Stoßrichtung zu verwässern.
Bündnispolitik beinhaltet eine Dialektik aus Inhalten und Breite des Bündnisses. Es gibt eine Dialektik aus Grundkonsens des Bündnisses und sich davon unterscheidenden Positionen der verschiedenen Bündnispartner. Aus unserer gesamten Geschichte können wir lernen, dass Nachtrabpolitik für niemanden gut ist, weder für das Bündnis noch für uns selbst. Deswegen waren kritische Fragen und Anmerkungen zum „Frankfurter Appell“ legitim und ein notwendiger Beitrag zu notwendigen Diskussionen in der Friedensbewegung.