Ohne Frieden und Souveränität keine Entwicklung des Irak • Kolumne von Beate Landefeld

Für einen „normalen“ Nationalstaat

Im Irak-Krieg 2003 wurde der frühere Staatsapparat des Irak zerstört. Unter dem Regime Saddam Husseins waren die Sunniten privilegiert, die Schiiten unterdrückt. Seit Saddams Sturz wird der unter der US-Besatzung gebildete Staatsapparat weitgehend von Schiiten getragen. Sie stellen zwei Drittel der Bevölkerung. Der Iran, dessen theokratische Führung sich als Schutzmacht der Schiiten sieht, gewann im Irak stark an Einfluss. Irans Einfluss steigerte sich noch im Zuge der „Volksmobilisierung“ im Kampf gegen den IS. Dafür wurden Milizen rekrutiert. Ihren Aufbau unterstützte auch der iranische General Soleimani. Laut „New York Times“-Korrespondent David D. Kirkpatrick liquidierten die USA mit Soleimani „einen der effektivsten Gegner des Islamischen Staats“, der mit Iran-gestützten Milizen die Bodentruppen erheblich verstärkt habe, die den IS aus seinen Stützpunkten in Syrien und im Irak vertrieben.

Offiziell war Soleimani zu demselben Zweck im Irak tätig wie die 5.000 US-Soldaten, die Kontingente der Anti-IS-Koalition und die 130 Bundeswehrleute: zur Bekämpfung des IS. Trump hält den IS bekanntlich für besiegt. Jedenfalls meint er, parallel einen US-Krieg gegen den Iran führen zu können. Ungewollt zeigt er, dass die offizielle Begründung für den Verbleib im Irak nur Vorwand ist. So wie in Syrien, wo unter dem Vorwand, den IS zu bekämpfen, US-Truppen im Land belassen werden, um Pfründe für US-Ölkonzerne zu sichern, um die syrische Regierung zu schwächen und die Erholung des Landes zu behindern. Real geht es beide Male um geopolitische Positionsgewinne und Kontrolle über Ressourcen. Auch die BRD-Regierung will überall dabei sein, sei es am Persischen Golf, in Nordsyrien oder im Irak.

Nach dem Mord an Soleimani erklärten Karrenbauer und Maas eilig, die Irak-Mission der Bundeswehr aufrechterhalten zu wollen. Es gelte, den Irak zu befähigen, sich selbst zu verteidigen und ihn nicht „Extremisten“ zu überlassen. Die US-geführte Koalition setzte ihre Einsätze aus. Dann forderte das irakische Parlament – laut deutscher Qualitätspresse „überraschend“ – das Ende des US-geführten Einsatzes im Irak. Rücknahme des Hilfeersuchens, Abzug der 5.000 US-Soldaten, Sperrung des Luftraums für ausländische Truppen wurden verlangt. Kurz zuvor hatte Trump noch 3.500 Mann Verstärkung in Kuweit einfliegen lassen. Kramp-Karrenbauers Sprecher erklärte nun, die Bundeswehr bleibe im Irak, wenn die irakische Regierung es wolle.

Wie Syrien und mehr noch Libyen gehört der Irak zu den arabischen Ländern, deren Nationsbildung durch imperialistische Regime-Change-Attacken um Jahrzehnte zurückgeworfen wurde. Gegenwärtig kämpft im Irak eine Massenbewegung für einen „normalen Nationalstaat“ ohne konfessionell definierte Parteien und Quoten-System, das Klientelismus, Korruption und Stagnation begünstigt. Sie fordern die Trennung von Staat und Religion, bürgerlich-demokratische Rechte, Investitionen in Bildung und Infrastruktur, mehr Gleichheit. Kritisiert werden Zerstörung, Stagnation und Rückschritt der letzten 16 Jahre, dank derer das Land heute von der Substanz zehrt. Bündnisse religiöser und säkularer Kräfte sind möglich. Hohe Geistliche der irakischen Schiiten sind ohne theokratische Bestrebungen.

Mehrheiten für die Verhinderung weiteren Staatszerfalls könnten perspektivisch zustande kommen, vorausgesetzt, das Land versinkt nicht wieder im Krieg. Die KP des Irak warnt dieser Tage davor, dass der Irak wieder zum Austragungsort regionaler Konflikte wird, insbesondere zwischen USA und Iran. Souveränität, Sicherheit und Stabilität des Irak und seiner unabhängigen nationalen Entscheidungsfindung seien zu wahren. „Beziehungen mit anderen Ländern müssen sich stützen auf die Interessen unseres Volkes und seinen freien Willen.“

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"Für einen „normalen“ Nationalstaat", UZ vom 10. Januar 2020



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