Die AfD bleibt auf nationalistischem Anti-EU-Kurs

Für einen „Dexit“ gibt es (noch) kein Datum

Von Nina Hager

Am Montag ging der Europawahl-Parteitag der AfD zu Ende. 500 Delegierte stimmten in Riesa viele Stunden lang in einem komplizierten Verfahren über die weitere Besetzung der Liste für die EU-Wahl ab und beschlossen das Europawahlprogramm der Partei. Bereits im November hatte man Jörg Meuthen, neben Alexander Gauland gleichfalls Vorsitzender der Partei, auf einem Parteitag in Magdeburg zum Spitzenkandidaten der Partei gekürt.

Aufgrund des komplizierten Wahlverfahrens blieb in Riesa nur wenig Zeit für eine inhaltliche Debatte. Das Europawahlprogramm war jedoch in einem Punkt heiß umstritten. Die Mehrheit der Delegierten wollte offenbar dem vorliegenden Entwurf der Programmkommission folgen, der die Forderung nach einem „Dexit“ enthielt, dem Austritt Deutschlands aus der EU, sollte sich nicht binnen fünf Jahren die EU nach den Vorstellungen der AfD reformieren lassen. Im Vorfeld des Parteitags hatte Jörg Meuthen jedoch im rbb-Inforadio angemahnt, man dürfe „nicht übersehen, dass wir der Europäischen Union auch einiges verdanken und dass sie ihre Verdienste hat. Wenn Sie zum Beispiel den europäischen Binnenmarkt sehen, dann ist das ein sinnvolles Projekt, das erfolgreich verlaufen ist und für alle Beteiligten von Vorteil ist. So etwas sollte man nicht preisgeben.“

Alexander Gauland warnte die Delegierten dann auf dem Parteitag vor Forderungen nach einem deutschen EU-Austritt und mahnte Realismus an. Offenbar fürchtet nicht nur er, Wählerinnen und Wähler, aber auch Unterstützer aus der Wirtschaft in dieser Frage mit zu radikalen und eventuell unerfüllbaren Forderungen abzuschrecken: „Wer auch immer mit dem Gedanken eines Dexit spielt, muss sich fragen lassen, ist das nicht eine Utopie und sollten wir nicht realistisch sein.“ Er zeigte „Verständnis“ dafür, dass viele in seiner Partei den „totalitären Apparat“ in Brüssel und Straßburg abschaffen wollten, mahnte aber: „Wir müssen immer in Rechnung stellen, dass die Folgen vielleicht unberechenbar werden.“

Nach der Debatte wurde eine abgeschwächte Formulierung beschlossen. Jetzt heißt es im AfD-Europawahlprogramm, ein „Dexit“ oder eine Auflösung der EU sei notwendig, sollte die EU nicht „in angemessener Zeit“ nach den Vorstellungen der AfD reformiert werden. Zu den „Reformforderungen“ der AfD gehören: Die Auflösung des Europäischen Parlaments, die Entmachtung des Europäischen Gerichtshofes, ein massiver Verwaltungsabbau und so weiter. Einen Zeitplan gibt es nicht.

In anderen Fragen war man sich auf dem Parteitag einig: Deutsche nationale Interessen gehen über alles. Da will beispielsweise die AfD eine deutsche „Führungsrolle innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft“ sowie deutsche Interessen auch in der Außen- und Sicherheitspolitik durchsetzen. Eine EU-Armee wird abgelehnt, die NATO sei entscheidend. Die Bundeswehr soll weiter aufgerüstet werden. Es werde ein Ende der Sanktionen und eine Normalisierung der Beziehungen mit Russland gefordert. Die Türkei habe in Europa nichts zu suchen. Die Flüchtlingspolitik soll noch weiter verschärft werden, Abschiebungen noch rigoroser und schneller erfolgen und so weiter. Dafür und für noch mehr stehen die gewählten Kandidatinnen und Kandidaten. Unter ihnen sind mit Thorsten Weiß (Berlin, Listenplatz 14) und Hans-Thomas Tillschneider (Sachsen-Anhalt, 19) auch zwei bekannte Rechtsaußen der Partei. Weiß ist in Berlin Koordinator des rechtsnationalen Parteiflügels „Der Flügel“. Er gilt als Vertrauensmann von Björn Höcke. Tillschneider wird der Neuen Rechten zugeordnet. Er ist Sprecher der „Patriotischen Plattform“ und hat wie Weiß enge Kontakte zur Identitären Bewegung.

Meuthen ist aktuell der einzige Vertreter der AfD im EU-Parlament. Die Partei rechnet offenbar damit, nach den Europawahlen am 26. Mai 20 Abgeordnete in das EU-Parlament entsenden zu können. Dann will man eine – möglichst große – rechte Fraktion im Europaparlament mit der FPÖ, der italienischen Lega Nord und skandinavischen Rechtsparteien bilden.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Für einen „Dexit“ gibt es (noch) kein Datum", UZ vom 18. Januar 2019



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Haus.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit