Mit diesem Beitrag setzen wir die Serie „100 Jahre Sowjetunion“ fort. In 14-tägigem Abstand führt uns der Autor durch die sieben Jahrzehnte währende Geschichte des ersten sozialistischen Staates. Heute geht es um das Ringen um eine demokratische und friedliche Nachkriegsordnung. Teil 7 folgt in der Ausgabe vom 17. März 2023.
Die erfolgreichen Operationen der Roten Armee schufen günstige Bedingungen für die Bemühungen der UdSSR um die Antihitlerkoalition.
Schon nach den sowjetischen Siegen von 1943 erhielt die sowjetische Außenpolitik die Aufgabe, für eine demokratische Ordnung der Welt nach dem Krieg aktiv zu werden.
Die wichtigsten Grundsätze waren von Josef Stalin in seiner Rede zum 26. Jahrestag der Oktoberrevolution verkündet worden. „Gemeinsam mit unseren Verbündeten müssen wir die Völker Europas von den faschistischen Okkupanten befreien“ und „den befreiten Völkern Europas das volle Recht und die Freiheit einräumen, selbst die Frage ihrer staatlichen Ordnung zu entscheiden.“ Die faschistischen Verbrecher seien zu bestrafen. Es gelte, in Europa eine Ordnung zu errichten, „die die Möglichkeit einer Aggression von Deutschland ausschließt“ sowie „eine dauerhafte wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit der Völker Europas“ herzustellen.
Vom 19. Oktober bis zum 1. November 1943 tagten in Moskau die Außenminister der UdSSR, der USA und Britanniens. Sie betonten die Notwendigkeit, „die gegenwärtige enge Zusammenarbeit in der Kriegführung auch in der Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten fortzusetzen“.
Die Außenministerkonferenz hatte überdies das erste Treffen der Oberhäupter der drei Staaten – neben Stalin Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill – in Teheran vorbereitet, das vom 28. November bis zum 1. Dezember 1943 stattfand. Dort wurde der britische Vorschlag zur Schaffung einer zweiten Front auf dem Balkan abgelehnt und stattdessen die Beschleunigung der Eröffnung einer solchen in Westeuropa vereinbart. Die UdSSR sagte zu, nach dem Sieg über Nazideutschland die Beteiligung am Krieg gegen Japan zu prüfen. Ohne Erfolg blieb der Plan Roosevelts, Deutschland in fünf selbstständige Staaten zu zerstückeln – die UdSSR widersetzte sich allen Teilungsplänen grundsätzlich.
Im Rahmen des Folgetreffens in Jalta auf der Krim (4. bis 11. Februar 1945) schlugen Britannien und die USA wieder die Zerstückelung Deutschlands vor – sie konnten sich nicht durchsetzen. Deutschland sollte nur zeitweise besetzt werden und seine staatliche Einheit erhalten bleiben. Entsprechend den Positionen der UdSSR hieß es in der Abschlusserklärung: „Nur dann, wenn der Nationalismus und Militarismus ausgerottet sind, wird für die Deutschen Hoffnung auf ein würdiges Leben und einen Platz in der Völkergemeinschaft bestehen.“
Noch waren die Kämpfe in vollem Gange, als die drei Mächte der Antihitlerkoalition feststellten, dass die „Herstellung der Ordnung in Europa und der Wiederaufbau eines nationalen Wirtschaftslebens (…) in einer Weise zuwege gebracht werden (müssen), die es den befreiten Völkern gestattet, die letzten Spuren des Nationalismus und Faschismus zu beseitigen und demokratische Einrichtungen nach eigener Wahl zu schaffen“.
Das Potsdamer Abkommen, Ergebnis der Dreimächtekonferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945, war eine Verallgemeinerung dieser Vereinbarungen und zeigte, dass sich die Staaten der Antihitlerkoalition unabhängig von ihren unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen auf gemeinsame Prinzipien einigen konnten – es war somit auch Ausdruck einer Politik der friedlichen Koexistenz. Der wachsende Antikommunismus und Antisowjetismus, der in der Truman-Zeit offen zum Ausbruch kam, verhinderte jedoch konstruktive zwischenstaatliche Beziehungen im Sinne von Frieden und gegenseitiger Sicherheit.
Nur allzu gern möchten westliche Historiker und Propagandisten diese Leistungen der UdSSR und geschichtlichen Erfahrungen der Vergessenheit überantworten – sie sind aber aus der Geschichte nicht zu streichen!