Das Bündnis der Linkskräfte in Venezuela steht unter Druck

Für Dialog und revolutionäre Lösungen

Modaira Rubio, Caracas

Der Oberste Gerichtshof (TSJ) Venezuelas hat am 21. August entschieden, die amtierende Führung der Linkspartei „Heimatland für alle“ (PPT) ab- und einen „Ad-hoc-Vorstand“ einzusetzen. Diesem wurde auch das Recht zugesprochen, den Namen und die Symbole der Partei zu nutzen und über eine Teilnahme an Wahlen zu entscheiden. In der ohnehin aufgewühlten politischen Landschaft des südamerikanischen Landes ließ das alle Alarmglocken schrillen.

Nur eine Woche vor dem Urteil hatte die PPT gemeinsam mit der Kommunistischen Partei Venezuelas (PCV) und weiteren Organisationen die Gründung einer „antiimperialistischen und wirklich sozialistischen“ Allianz angekündigt, die ein neuer linker Bezugspunkt für die Menschen in Venezuela werden solle. Diese „Revolutionäre Alternative des Volkes“ (APR) soll nicht nur zu Wahlen antreten, sondern eine politische Antwort auf die Forderungen der Bevölkerung und insbesondere der Arbeiterklasse entwickeln, wie es in der Gründungserklärung heißt. In den sozialen Netzwerken toben seither Debatten zwischen denjenigen, die der APR Spaltung und Verrat vorwerfen, während andere das Entstehen einer Alternative zur regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) begrüßen. Diese vertrete nur noch die Eliten und setze Entscheidungen durch, ohne die Basis einzubeziehen. Bei einer im Fernsehen übertragenen Videokonferenz der PSUV-Spitze rief Vizechef Diosdado Cabello dagegen zur „Bewahrung und Stärkung der Einheit“ auf und warnte vor „spalterischen Tendenzen“ in den Führungen „einiger Parteien“ inmitten des brutalen Angriffs des Imperialismus.

Das Politbüro der PCV bezeichnete die Gerichtsentscheidung gegen die PPT als juristischen „Überfall“ auf die verbündete Partei. An deren Spitze hätten die Richter Vertreter einer Minderheit gesetzt, die der PSUV und der Regierung von Präsident Nicolás Maduro nahe stehen. Die Kommunisten erinnern daran, dass der Oberste Gerichtshof zuvor bereits in ähnlicher Weise gegen die Revolutionäre Bewegung Tupamaro (MRT) und die Venezolanische Volkseinheit (UPV) vorgegangen sei. Im Juni war der Gründer und Vorsitzende der MRT, José Pinto, unter Mordvorwurf verhaftet worden. Das löste das juristische Verfahren gegen die Tupamaros aus. Innerhalb der PPT führten Auseinandersetzungen zwischen zwei Fraktionen zu dem jüngsten Urteil. Zuvor hatte es bereits die Mitte-Rechts-Oppositionsparteien „Demokratische Aktion“ (AD) und Copei sowie die ultrarechten Kräfte „Volkswille“ (VP) und „Zuerst Gerechtigkeit“ (PJ) getroffen. Jede dieser Parteien hat jetzt zwei Vorstände, die für sich Legitimität beanspruchen und sich öffentlich bekämpfen. Über die Teilnahme an den Wahlen am 6. Dezember dürfen jedoch nur die vom Obersten Gerichtshof eingesetzten Parteispitzen entscheiden.

Das sei ein Missbrauch der Befugnisse, die den Richtern von der venezolanischen Verfassung zugeschrieben werden. Zudem weist die PCV darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof in diesen Fällen sehr schnell Urteile gefällt habe, während es zum Beispiel noch keine Reaktion auf eine schon 2018 eingereichte Klage der PCV wegen Unregelmäßigkeiten bei der Kommunalwahl im Bundesstaat Monagas gegeben hat. Im dortigen Bezirk Libertador hatte der kommunistische Kandidat Régulo Reina die Bürgermeisterwahl gewonnen, der Nationale Wahlrat erklärte jedoch den Kandidaten der PSUV zum Sieger.

Am 19. August drangen Beamte des „Bolivarischen Nachrichtendienstes“ (SEBIN), der politischen Kriminalpolizei Venezuelas, in das Büro der PCV im Bundesstaat Carabobo ein, als dort gerade ein Treffen der an der neuen Allianz beteiligten Parteien stattfand. Doch trotz solcher Einschüchterungsversuche und anderer Schwierigkeiten werde man gemeinsam mit anderen Kräften die Allianz weiter stärken, heißt es in dem Statement der PCV weiter. Die Losung laute, sich den Hindernissen zu stellen und Kräfte zu sammeln, um dem Imperialismus und dem kapitulierenden Reformismus Widerstand zu leisten.

Carolus Wimmer, Internationaler Sekretär der PCV, wies im Gespräch mit der UZ alle Versuche zurück, mit juristischen Mitteln auf die inneren Prozesse der politischen Parteien Einfluss zu nehmen: „Die internen Differenzen der Organisationen müssen entsprechend ihrer Statuten und mit Unterstützung der Mehrheit der Mitglieder behandelt werden, nicht durch juristische Intervention und indem eine Fraktion zur Parteiführung ernannt wird.“ Es herrsche aktuell große Verwirrung und die mehrheitlich oppositionellen Massenmedien trügen auch nicht zu einer sauberen Diskussion bei, so Wimmer weiter. „Die APR ist keine Anti-PSUV-Allianz, sondern eine Instanz zum Dialog und zur Suche nach revolutionären Lösungen für die schwere Krise, die das Land durchlebt.“

Mit Blick auf die in weniger als vier Monaten stattfindenden Parlamentswahlen erklärt Wimmer, dass die PCV sich „um die breitestmögliche Einheit der Demokraten, Patrioten, Antiimperialisten und des Volkes“ bemühe, um dem Imperialismus als dem wirklichen Feind Widerstand zu leisten. „2018 haben die PCV und die PSUV ein Einheitsabkommen unterzeichnet, das gemeinsame Beratungen und die Beteiligung an politischen Entscheidungen vorsah. In diesen zwei Jahren haben wir uns jedoch nie mit der PSUV treffen können, wir denken, aufgrund fehlenden Interesses oder Willens von ihrer Seite.“ Die APR sei nun gerade das, „eine Alternative, um die revolutionären, antiimperialistischen, antifaschistischen politischen Kräfte zu vereinen, um Lösungen für die schweren nationalen Probleme zu finden“. Man schließe auch den Dialog mit der PSUV nicht aus, „aber wir haben das Recht, zu äußern, dass wir mit der Politik und Entscheidungen der Regierung nicht einverstanden sind“, so Wimmer.

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"Für Dialog und revolutionäre Lösungen", UZ vom 28. August 2020



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