ver.di hat Forderung für die Tarifrunde öffentlicher Dienst der Länder aufgestellt

Für 6 Prozent mehr mit sozialer Komponente

Von Volker Metzroth

Mit einer Gesamtforderung nach 6 Prozent mehr Lohn und Gehalt auf 12 Monate gehtendie Vereinte Dienstleistungswerkschaft ver.di, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, die Gewerkschaft der Polizei GdP, die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt IG BAU und der Deutsche Beamtenbund dbb für eine Million Tarifbeschäftigte der Länder in die Tarifrunde 2017. Frank Bsirske begründete die Forderung auch mit dem Hinterherhinken des öffentlichen Dienstes hinter der gesamtwirtschaftlichen Lohnentwicklung und der notwendigen Steigerung der Massenkaufkraft. Die Verhandlungsgemeinschaft der DGB-Gewerkschaften mit „dbb und tarifunion“ trifft dabei auf die Tarifgemeinschaft deutscher Länder TdL, in der alle Bundesländer außer Hessen zusammengeschlossen sind. Deren Verhandlungsführer, der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider, hat die Forderungen mit Hinweis auf Schuldenbremsen und niedrige Inflationsraten zurückgewiesen. Die Verhandlungen beginnen am 18. Januar.

Das berufliche Spektrum ist breit, es geht von Ärztinnen und Ingenieuren über Zeichner und Laborantinnen bis hin zu Kartenverkäufern in Theatern und Küchenhilfen. Es umfasst u. a. schulische Bildung, Justiz, Polizei, Gesundheits- und Verkehrswesen, Landesministerien und nachgeordnete Behörden. So schwanken dann die Grundgehälter der Stufen 2 bis 15 zwischen 1 800 und 4 200 im Einstiegsbereich bzw. 2 400 und 4 800 Euro und den Endstufen. In der Stufe 1 ist de facto kaum jemand beschäftigt, da eine ungelernte Tätigkeit mit Berufserfahrung zur Einstufung nach 3 führt. Ab Stufe 4 werden Beschäftigte mit Berufsausbildung eingruppiert, ab 9 mit akademischer Ausbildung.

Die durch Ausbildung und Tätigkeit bestimmten Unterschiede zwischen den Entgeltstufen sind nicht die Ursache für die immer weiter klaffende Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland, sind doch selbst die Spitzengehälter hier nur ein Bruchteil von dem, was wirklich Reiche überwiegend ohne eigene Leistung z. B. an Kapitalerträgen kassieren. Auch deshalb spielte die Diskussion um Festbeträge kaum eine Rolle. Die oft genannte Begründung, wenn denn zu wenig da sei, müsse das Wenige gleichmäßig verteilt werden, akzeptiert eigentlich, dass öffentliche Kassen bedingt durch Steuergeschenke an Reiche, Schuldenbremsen etc. leer sind und bleiben. Die jetzige Forderung nach einer sozialen Komponente durch Mindest- oder Sockelbeträge kann alle Beschäftigten mobilisieren, da sie „unten“ und „oben“ eine spürbare Verbesserung bringen will. Zudem wird für die Entgeltgruppen 9 bis 15 eine sechste Stufe gefordert.

Bis in die 90er Jahre wurde für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund, Ländern und Kommunen einheitlich verhandelt und abgeschlossen. Es war ausgerechnet das „rot-rot“ regierte Berlin, das als erstes absprang, die anderen Länder folgten. Sie wollten damit vom schlechteren gewerkschaftlichen Organisationsgrad unter den Landesbediensteten profitieren. Deshalb gingen die 2015 im Sozial- und Erziehungswesen von Bund und Kommunen erkämpften Verbesserungen an den betroffenen Landesbeschäftigten vorbei. Hier wird jetzt die Angleichung gefordert.

Für 40 000 Auszubildende und die Praktikanten sind 90 Euro mehr pro Monat sowie die Übernahme nach der Ausbildung in ein festes Arbeitsverhältnis gefordert. Viele Jugendliche, aber auch Ältere sind bei den Ländern von sachgrundlosen Befristungen betroffen, besonders im Wissenschaftsbereich. Das wollen ver.di und Co. per Tarifvertrag beenden.

Die Gewerkschaften fordern auch die Übernahme der Verhandlungsergebnisse für über 1,1 Mio. Beamtinnen und Beamte der Länder und 185 000 der Kommunen sowie für 700 000 bzw. 185 000 Pensionäre. Denen wird nach wie vor das Recht, selbst für ihre Gehälter und Arbeitsbedingungen einzutreten, verweigert. Befolgte Aufrufe der GEW an Lehrer, sich an Streiks zu beteiligen, führten auch in SPD-regierten Ländern zu Disziplinarmaßnahmen. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur in Sachen Besoldung fast jedes Bundesland eigene Wege geht.

Verständlich, aber auch zweischneidig, ist der Hinweis der Gewerkschaften auf die derzeit relativ guten Steuereinnahmen. Ein Einbruch der Konjunktur, und der kommt im Kapitalismus so sicher wie Neujahr nach Weihnachten, würde den Anspruch der Beschäftigten auf Lohnerhöhungen aber nicht schmälern. Neben der Absicherung herrschender Verhältnisse hat der öffentliche Dienst z. B. bei der Bildung und im Gesundheitswesen Aufgaben dort, wo gerade Arbeitende und ihre Familien auf kompetente Beschäftigte angewiesen sind. Fehlt dort wegen schlechter Bezahlung bei ständig wachsenden Anforderungen Personal, dann trifft das fast alle negativ, außer die Reichen. ver.di hat dazu in der Aktion „Gerecht geht anders“ gut argumentiert. Die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen in der Tarifrunde ist nicht nur ein Gebot der Solidarität, sie dient auch den eigenen Interessen der großen Mehrheit.

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"Für 6 Prozent mehr mit sozialer Komponente", UZ vom 23. Dezember 2016



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