Letzte Woche Mittwoch im Fußballstadion in Oberhausen: Sprechchöre, Trommeln, Fahnenschwenken auf den Rängen. Doch nicht Rot-Weiß Oberhausen wurde angefeuert, sondern Kolleginnen und Kollegen der Unikliniken in Nordrhein-Westfalen feuerten sich selbst an. „Mehr von uns ist besser für alle“, skandierten sie und: „TVE für uns in NRW!“
Den TVE – einen Tarifvertrag Entlastung – fordern hunderte Beschäftigte aus den sechs nordrhein-westfälischen Universitätskliniken. Bei ihrem „Krankenhausratschlag“ in Oberhausen signalisierten sie in Richtung Landesregierung und Krankenhausleitungen, dass sie ernsthafte Schritte zu einem Tarifvertrag erwarten, der mehr Personal und Entlastung in die Kliniken bringt. Sonst ist ein großer Arbeitskampf noch vor der Landtagswahl am 15. Mai unausweichlich.
Den anwesenden Vertretern der politischen Parteien – es sind an diesem Tag ausschließlich Männer – schallte entgegen: „Wo, wo, wo ist unser Rettungsschirm?“ NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sah sich zu der Äußerung gezwungen, dass es einen TVE geben werde. Zwar habe die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) ihren Mitgliedern untersagt, Entlastungstarifverträge mit ver.di abzuschließen, doch: „Wo ein Wille ist, ist ein Weg, und wir werden einen Weg finden“, so Laumann.
Als sie auf einem großen Transparent fast 12.000 Unterschriften für Entlastung überreicht bekommen, bekunden alle vier Politiker ihre Unterstützung per Unterschrift, während zeitgleich La-Ola-Wellen durchs Station gehen. Eine Kollegin stellt klar: „Wir werden Sie an Ihre Versprechen erinnern.“
Am 1. Mai läuft das 100-Tage-Ultimatum ab. Bis dahin haben die Beschäftigten der Landesregierung und den Klinikbetreibern Zeit gegeben, ernsthafte Schritte zu einem Tarifvertrag Entlastung zu gehen. Doch bislang gibt es keinerlei Signale in diese Richtung, sollte das so bleiben, droht eine Eskalation. Die in Oberhausen versammelten Aktivistinnen und Aktivisten beschlossen einstimmig, die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik für den Fall einzuleiten, dass das Ultimatum ergebnislos abläuft. „Das ist ein Notruf“, sagt Katharina Wesenick, die bei ver.di in NRW für das Gesundheitswesen zuständig ist. „In den Kliniken brennt es – und den Brand haben nicht die Beschäftigten gelegt.
Für den 7. Mai hat die Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE!“ in Düsseldorf zur Großdemonstration aufgerufen. Die Uhrzeit und der genaue Treffpunkt wird noch bekanntgegeben.
Mehr unter: notruf-entlastungnrw.de
Personalmangel gefährdet Patienten
Soli-Aufruf von Ärzten der Unikliniken
Wir Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinstudierenden wissen schon lange aus eigener Erfahrung, wie die aktuelle Personalbesetzung bei den Krankenhausbeschäftigten eine an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientierte und pflegerisch und medizinisch anspruchsvolle Versorgung erschwert, manchmal unmöglich macht, und dass sie in Einzelfällen Leben gefährden kann.
Den Mangel an Pflegefachkräften und seine Folgen erleben wir jeden Tag: Überlastete Pflegefachkräfte, eine angespannte Arbeitsatmosphäre, erschwerte Teamarbeit und eine ansteigende Quote krankheitsbedingter Ausfälle aufgrund der Arbeitsbedingungen.
Krankenhaus ist Teamarbeit. Alle Beschäftigten erbringen ihren Beitrag zu einer bedarfsgerechten Patientenversorgung. Ohne Reinigung, Küche, Speiseversorgung, Logistiker, Kita, Zentralsterilisation und IT u. v. a. funktioniert kein Krankenhaus. Deshalb sind auch die nicht-pflegerischen Bereiche Teil der Entlastungsbewegung in NRW.
Mit dem dramatischen Personalmangel in der Pflege, aber auch in nicht pflegerischen Bereichen verschlechtern sich auch die ärztlichen Arbeitsbedingungen – vor allem aber ist eine qualitativ gute medizinische und pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten bedroht.
Seit Jahren kommen die Länder ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionen in die Infrastruktur der Krankenhäuser nicht nach – auch nicht das Land Nordrhein-Westfalen.
Vor dem Hintergrund und in Kombination mit dieser Unterfinanzierung hat das Finanzierungssystem der Fallpauschalen durch Steigerung der Fallzahlen bei gleichzeitig sinkender Stellenzahl zu Arbeitsverdichtung besonders in der stationären Pflege geführt. (…)
Die Aktivitäten der Beschäftigten an den Universitätskliniken Köln, Bonn, Aachen, Münster, Essen und Düsseldorf hinsichtlich eines substantiellen Schritts zu verbindlichen Personalbesetzungsregeln können wir deshalb nur begrüßen.
Wir rufen alle Ärztinnen, Ärzte und Medizinstudierenden dazu auf, sich auch im Alltag auf den Stationen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit den nicht-ärztlichen Kolleginnen und Kollegen solidarisch zu zeigen und damit auch das ärztliche Interesse an einer interprofessionellen Zusammenarbeit im Krankenhausalltag zu demonstrieren.
Mehr unter: aerzte-soli-notrufnrw.de