Argentinien: Präsident Macri lässt Schulden machen und den Binnenmarkt abwürgen

Fünf Monate 
im Paradies

Von Claudio Ottone

Bei seiner Amtsübernahme am 10. Dezember fand Mauricio Macri ein Land vor, in dem man – freilich ohne den harten Kern der Produktivkräfte anzugehen – den Reichtum fortschrittlich umverteilt, die Bürgerrechte erweitert und die Umsetzung eines regionalen Blocks linker bis Mitte-linker Ausrichtung angegangen hatte.

Um das zu ändern, ergriff der neue Staatspräsident Maßnahmen zur rigorosen Umverteilung des Reichtums hin zu den Wirtschafts- und Finanzsektoren. Jährlich gehen 2,2 Milliarden US-Dollar an die Landwirtschaftsunternehmen und Bergbaubetriebe. Gleichzeitig provozierte er eine mächtige Abwertung, verbunden mit einer gefährlichen Schuldenaufnahme und einer Öffnung für Importe. Tarife wurden erhöht, die Inflation galoppiert, Massenentlassungen im öffentlichen und auch im privaten Bereich sowie Schwächung des internen Konsums und Krise bei der nationalen Produktion, die konkret die kleinen und mittelständischen Unternehmen schwächt, in denen achtzig Prozent der Arbeiterschaft beschäftigt sind. Um den Dollarwert zu halten, erhöhte er den Referenzzins um bis zu 38 Prozent.

Nichts davon ist zufällig, denn es geht der Regierung um eine Neuordnung zugunsten der Reichen; so wie man sich dort eine Gesellschaft vorstellt. Die Klassen existieren, und die Geschichte bleibt nicht stehen.

Macri wertete den Peso gegenüber dem US-Dollar um 40 Prozent ab und vereinbarte mit den Geierfonds Bedingungen, die für diese besser waren als sie ein Jahr zuvor noch verlangt hatten. Nun hat Argentinien wieder 16 Milliarden Schulden in Bonds, die der New-Yorker Rechtsprechung unterliegen. Wenn alles gut geht, wird all das in 30 Jahren bezahlt sein, bei einem Zinssatz von über 8 Prozent.

Durch die Abwertung würden laut Regierung Investitionen angelockt, die aber nicht kommen, und der Dollarpreis stieg immens, weshalb die Zentralbank den Zinssatz so weit erhöhte, dass Kreditaufnahme und Produktion unattraktiv wird. Die Banken nehmen Geld von den Kleinsparern zu 27 Prozent und verleihen es der Zen­tralbank zu 38 Prozent. Also werden von den Banken die Dividenden zu Dollars gemacht, die wiederum außer Landes gehen. Das perfekte Verbrechen, und die Regierung ist ein Komplize.

Die Abwertung nahm dem Arbeitslohn 40 Prozent seines Wertes, aber andere haben mit dieser Maßnahme auch Gewinne erzielt. In den Unternehmen, wo Regierungsleute arbeiten – darunter eine Firma des Vaters von Macri – hatte man vor der Abwertung Dollar auf Vorrat gekauft. Was die Arbeiter verloren, haben die Unternehmen gewonnen.

Um die Geierfonds bezahlen zu können hat man zudem etwa 16 Milliarden US-Dollar in Schuldscheinen herausgegeben und als Verkäufer die Deutsche Bank, HSBC, JP Morgan und Santander bestellt; die gleichen Banken, bei denen uns die Regierung im Dezember verschuldet hatte, um die Reservenerosion etwas aufzuhalten.

„In drei Monaten

sind 1,4 Millionen Menschen

in die Armut gerutscht.“

Klar ist, dass die Regierungsmechanik auf der Heraufbeschwörung von Problemen basiert, wo es keine gab, und auf Lösungen besteht, die immer einen Verlierer- und einen Gewinnerblock nach sich ziehen. Um die Verlierer zu erkennen genügt es zu sehen, dass die Inflation seit Macri über der der Periode von Dezember 2001 bis April 2002 liegt, als das Land förmlich explodiert war. Die führenden Umfrageinstitute stimmen überein, dass es für das Jahr auf 40 Prozent Inflation hinauslaufen wird; andere sprechen gar von 60 Prozent. Dabei fehlen noch die neuerlichen Gas- und Strompreiserhöhungen um 300 bzw. 700 Prozent. Wasser stieg um 500 Prozent, der ÖPNV um 100 Prozent, Benzin und Telefon um 300 Prozent. Das in einem Kontext eines Anstiegs des Warenkorbs um 66 Prozent seit Dezember.

Daher kann niemanden überraschen, dass ein aktueller Bericht der Katholischen Universität errechnet hat, dass in kaum drei Monaten 1,4 Millionen Menschen in die Armut gerutscht sind, während weitere 350 000 auf Elendsniveau gefallen sind, also Hunger leiden. Ein Report des „Zen­trums für Argentinische Politische Ökonomie“ zeigt an, dass von Dezember bis März über 140 000 Entlassungen stattgefunden haben, 52 Prozent im nichtstaatlichen Bereich, der Rest beim Staat.

Die Importöffnung entmutigt eine Produktionsstruktur, die vor allem im Sekundärbereich in den letzten Jahren im Windschatten der staatlichen Intervention wuchs. Und zur Schrumpfung der Außenmärkte, die den größten Teil der argentinischen Produkte konsumieren, kommt der tödliche Schlag hinzu, den die Abwertung und deren Konsequenzen dem Binnenmarkt versetzen, wo ein durchschnittlicher Rückgang oberhalb der 12 Prozent zu verzeichnen ist.

Beispielhaft in diesem Sinne ist die Beendigung des Baus der Blöcke 3 und 4 der Atomanlage Atucha, wo 2 600 Facharbeiter entlassen wurden. Für die Regierung Macri zählt weder der Binnenmarkt noch die Energieversorgung des Landes. Für Argentinien sieht der globale Kapitalismus einen Platz als Lieferant von Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten vor.

[Unser Autor ist Redakteur der „Nuestra Propuesta“, Wochenzeitung der Kommunistischen Partei Argentiniens.]

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"Fünf Monate 
im Paradies", UZ vom 13. Mai 2016



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