Offenbar tut sich was zugunsten der Berliner Mieterinnen und Mieter: Der Senat startete am 18. Juni die Initiative für einen „Mietendeckel“. Packt die Berliner Landesregierung diese dringend nötige Verschärfung der bisher wirkungslosen „Mietpreisbremse“ gerade jetzt an, um der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ den Wind aus den Segeln zu nehmen? Immerhin konnte diese letzten Freitag 77 000 Unterschriften für ihre Initiative einreichen.
Der „Mietendeckel“ sieht zwar keine umfassenden Mietsenkungen vor, wäre jedoch zweifellos zu begrüßen. Durch ihn würden alle Mieten in der Hauptstadt, ob hoch oder niedrig, für die kommenden fünf Jahre eingefroren. Auch bei Neuvermietungen soll die bisherige Miethöhe verpflichtend sein. Modernisierungsumlagen, vor allem auch „energetische Sanierungen“, wären mit dem neuen Gesetz genehmigungspflichtig. Und liegt die Miete einer Wohnung deutlich über dem ortsüblichen Mietspiegelwert, sollen für die geschröpften Mieter künftig Absenkungsbegehren auf eine Art allgemeingültige Mietobergrenze möglich sein. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen drastische Geldstrafen. Auch wenn hier nur die wichtigsten Punkte beschrieben werden können und der tatsächliche Gesetzentwurf noch gar nicht vorliegt, ist klar, dass ein solches Gesetz einen Stopp der Mietpreisspirale nach oben bedeuten könnte.
Also eine Kehrtwende in der bisherigen kapitalfreundlichen Wohnungspolitik? Das jedenfalls lässt der Proteststurm der Immobilienlobby und ihrer politischen Vertreter vermuten. „Erhöhen Sie unbedingt bis zum 17. Juni die Miete!“ kräht „Haus & Grund“, größter Immobilien-Eigentümerverband, lamentiert von „Klassenkampf gegen kleine und mittelständische Eigentümer“ und hat auf seiner Homepage eine rückwärts laufende Uhr installiert, welche die Stunden und Sekunden bis zum 18. Juni zählte – dem Datum, an dem der Senat das entsprechende Eckpunktepapier verabschiedet hat. Einige Vermieter sollen bereits der „Haus&Grund“-Aufforderung nachgekommen sein und massenhaft Mieterhöhungsverlangen verschickt haben. Diese zum Beispiel auch zu Terminen im Jahr 2020 – prophylaktisch eben.
CDU und FDP zeigen Verständnis und laufen gegen das Gesetz Sturm. Nicht überraschen dürfte ein Gutachten für den Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen, das ein solches Gesetz „verfassungswidrig“ nennt. Und einige Aktienkurse großer Immobilienunternehmen rauschten in den Keller.
Es besteht jedoch Grund zur Skepsis. Nicht nur, weil die Immobilienlobby alles tun wird, den „Mietendeckel“ anzuzweifeln und juristisch zu Fall zu bringen. Vielmehr wissen wir, dass die Idee des „Berliner Mietendeckels“ bereits Mitte Januar von der Berliner SPD aufgegriffen worden war und auf einem Artikel in einer juristischen Fachzeitung beruhte, wo gemutmaßt wurde, dass Bundesländer die Kompetenz hätten, Mietpreise zu begrenzen. Anlässlich des SPD-Vorstoßes meldete Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Partei „Die Linke“) damals übrigens erhebliche Zweifel an der Realisierbarkeit an. Nicht so die Hamburger Linkspartei: In der Hansestadt brachte man kurze Zeit später einen ganz ähnlichen Antrag in die Bürgerschaft ein und forderte den „Hamburger Mietendeckel“. Das jedoch war wiederum mit der Hamburger SPD nicht zu machen, die den Antrag als „unseriöse Effekthascherei“ oder „blanken Populismus“ abtat.
Wie kommt es, dass nun aus der SPD gar Stimmen für einen bundesweiten „Mietendeckel“ ertönen? Mit Blick auf die bisherige Politik der SPD lässt sich vermuten, dass es sich um populistische Erwägungen handelt. Die Stimmenverluste bei den EU-Wahlen waren ein Alarmsignal: Etliche Regierungssessel auf Landesebene sind in Gefahr. Wohl weil es sein könnte, dass die SPD und die weitestgehend systemkonforme Partei „Die Linke“ insbesondere nach dem Rückzug von Wagenknecht in künftigen Regierungen keine Rolle mehr spielen könnten, wird nun wohnungspolitisch links geblinkt. Sollte das zur Deckelung der Mietpreise führen, dann wäre das gut. Jedenfalls wäre es für den Senat schwierig, jetzt noch zurückzurudern. Ob es aber tatsächlich zu einem wirksamen „Mietendeckel“ kommt, hängt nicht zuletzt von der mietenpolitischen Bewegung der Stadt ab.